Malaysia/Hongkong

Der Reisebericht, Teil 3

Mittlerweile bin ich also in Melbourne angekommen: Während man in Sydney deutlich die englische Vergangenheit spürt, mutet Melbourne eher amerikanisch an: Die Stadt zieht sich in die Fläche, es gibt eine Downtown mit einigen Wolkenkratzern, die ein schachbrettartiges Straßennetz besitzt; außerdem ein ausgeprägtes Straßenbahnnetz á la Los Angeles. Ja, man kommt sich wahrlich wie in Amerika vor (auch wenn ich dort noch nie war, aber so oder ähnlich sollte es wohl aussehen). Während Sydney den Charme und die Atmosphäre der modernen Olympiastadt ausstrahlt, muß man Melbourne schon etwas genauer kennenlernen, um sein wahres Gesicht zu erkennen. Auf den ersten Blick nämlich erscheint die Stadt so, als hätte sie vor etwa zehn Jahren aufgehört sich zu entwickeln; so, wie eine Provinzstadt ohne Flair, verglichen mit Sydney. Nachdem ich heute dann allerdings downtown Melbourne kennengelernt habe, hat sich mein Bild dieser zweitgrößten Metropole Australiens doch sehr gewandelt: So geschäftig, aber dennoch charmant, so abwechslungsreich und kurzweilig habe ich bisher noch keine andere Stadt erlebt. Melbournes Atmosphäre machen nicht die Häuser, nicht die Geschichte, sondern in erster Linie die Menschen aus, die der Stadt ein ganz besonderes Etwas verleihen; Die Hauptstadt von Victoria kann so eigentlich nicht mit Sydney verglichen werden, da beide einfach total verschiedene Dinge ausmachen: Sydney lebt von seiner spektakulären Lage, dem Wasser, der Harbour Bridge, der Oper und den verschiedenen Häfen, während in Melbourne die Bewohner der Stadt das geben, was sie interessant macht. So mag es zwar "alt aussehen", ist's aber, ganz im Gegenteil, überhaupt nicht. Nach den bisherigen Erfahrung kann ich mir auch vorstellen, warum beide Städte so verbissen um die Hauptstadtstellung des Landes kämpften.

Wie hat man aber das Problem, ob denn nun Sydney oder Melbourne Hauptstadt Australiens werden solle, gelöst? Nun, ganz dem "American way" gemäß: Die Verfassung bestimmte, daß weder die Hauptstadt von New South Wales noch diejenige von Victoria auch Hauptstadt des Landes werden sollte: Statt dessen sollte eine neue Stadt, allerdings mindestens 160 km von Sydney entfernt, das war die Bedingung, entworfen werden. Man nahm 2500 Quadratkilometer Land, erklärte es zum Australian Capital Territory (A.C.T.), und errichtete dort Canberra. Das muß wohl der Traum jedes Stadtplaners sein, solch eine ganze Stadt von Grunde auf zu planen. Daß allerdings auch noch so gute Planung das Heranwachsen einer "normalen" Stadt nicht ersetzen kann, sieht man in Canberra: Hier ist einfach nichts los, die Reißbrettstadt hat kein kulturelles Leben und auch keine historisch gewachsenen Stadtteile mit ihren spezifischen Funktionen. Vermutlich gehört zu einer Stadt doch mehr als gute Infrastruktur, gute Anlage und Verkehrsplanung sowie viel Grünflächen. Es ist allerdings sicherlich auch schwierig, einer Stadt, deren einziger Daseinsgrund es ist, die Regierung zu beheimaten, richtiges Leben einzuhauchen. Oder alte britische Traditionen, welchen ich sogar im innersten Malaysias begegnet bin.

Soviel erst einmal wieder aus Australien, nun geht's weiter mit und nach

8 Fraser’s Hill – Very British

Ich hatte es ja bereits vorweggenommen: Heute war der malaiische Verkehr einer echten Gefahr ausgesetzt - Sie hieß Robert, denn der schickte sich an, mit einem Wagen aus malaiischer Produktion, einem Proton Saga, die Straßen unsicher zu machen. Der kleine weiße Wagen stand pünktlich nach dem Frühstück (wie üblich im 21. Stock) in der Tiefgarage des Hotels bereit. Während des Hinausfahrens aus der Garage hatte ich also noch wenige Meter Gelegenheit, mich an das Auto zu gewöhnen - Es wies zwei Besonderheiten auf: Die Rechtssteuerung sowie die fehlende Servolenkung. Letztere stellte keine große Schwierigkeit dar, im Vergleich zum Linksfahren… Aus der Stadt heraus fand ich trotz des starken Berufsverkehrs schnell, hatte mir gestern Bea noch den Weg bis hinaus erklärt, da ‘ihre’ Familie dort draußen wohnte. Schnell bringt einen der Highway aus der Stadt hinaus, und bald findet man sich auf einer kleinen Landstraße wieder, welche eben noch eine sechsspurige Autobahn war.

Nicht nur verkehrsmäßig geht außerhalb der Stadt alles ein wenig ruhiger zu, auch die Menschen scheinen nicht so hektisch zu sein wie in der Stadt, welche hinter mir lag. Über die Dörfer und Ansiedlungen schlängelt sich die Straße durch immer deutlicher erkennbaren Dschungel dahin. Die Vegetation ist zumeist relativ dicht, und bisweilen stürzt sich links oder rechts der Straße ein Wasserfall den Berg hinab. So sollte es nun insgesamt fast eine Stunde weitergehen. Langsam stieg die gut ausgebaute, aber nur spärlich befahrene Straße an und begann, die ersten Erhebungen und Berge zu erklimmen. Die Ausschilderung war zwar nicht grade besonders gut, allerdings hatte ich nur zweimal rechts abzubiegen, und diese Kreuzungen waren nicht allzu schwer zu identifizieren. Man muß halt von Englisch auf Malaiisch umdenken, aber dass Bukit Fraser eben Fraser’s Hill bedeutet, ist ja fast von selbst klar.

So lerne ich ein malaiisches Wort nach dem anderen: "Jalan" hieß ja Straße, "Awas" bedeutet Vorsicht, und "Bukit" meint offensichtlich Hügel oder Berg. Rahayu hatte mir auch noch eine Begrüßung sowie das Danke sagen beigebracht, aber da ich diese Worte dann gar nicht mehr anwenden konnte (ich hab sie ja erst Donnerstag abends gelernt), hab' ich sie leider, leider schon wieder vergessen. Dafür kann ich Danke und Guten Morgen auf chinesisch! Allerdings nur aussprechen, aber das ist ja auch schon was: "Danke" müßte sich etwa so anhören wie "doll chair", und "Guten Morgen" habe ich auch schon wieder vergessen - wie ärgerlich.

Nun war ich schon an der letzten Abzweigung hinauf nach Fraser's Hill angelangt, mit der es allerdings eine Besonderheit auf sich hat: Die letzten zehn Kilometer sind eine Einbahnstraße, welche jeweils eine Stunde immer nur für eine Verkehrsrichtung geöffnet wird. Irgendwie hatte ich Glück, und es war grade offen. Ich hätte mir wohl besser gemerkt, wie spät es ist, um für die Rückfahrt schon mal kalkulieren zu können, wann der Rückweg offen stand, denn dies war die einzige Straße welche nach Fraser's Hill hinauf- und logischerweise auch wieder hinunterführte. Aber erst einmal hatte ich alle Hände damit zu tun, den Wagen über die kurvige und steil ansteigende Straße zu steuern, linkerhand tiefer Abgrund, rechterhand vollkommen dichter Dschungel. Wenigstens war die Straße gut ausgebaut, aber trotzdem schienen sich die zehn Kilometer ganz schön hinzuziehen. Deutlich merkte man, wie es kälter wurde, je höher ich hinaufkam. Teilweise durchquerte ich sogar (es hört sich ja wirklich unwahrscheinlich an!) die eine oder andere Wolke. Nach gut einer halben Stunde kam ich schließlich oben an: Wie aus dem nichts, also aus dem dichten Dschungel heraus, sah ich nun eine saubere Ansiedlung teils alter Gebäude, teils moderner Hotels, welche den Anblick etwas trübten, vor mir. Alles in allem konnte man sich aber trotzdem vorstellen, wie die Kolonialherren damals hier oben logierten. Daß mich etwas Tourismus erwarten würde, war wohl klar; trotzdem schienen die modernen Bauten das einzige Anzeichen davon zu sein, ansonsten war es nämlich einfach nur wunderschön ruhig und beschaulich in Fraser's Hill. Womöglich strömen auch vor allem Städter am Wochenende oder in den Ferien hier herauf? Wie auch immer, das erste was ich nun tun wollte, war angemessen zu Mittag essen. Hierfür fuhr ich durch die Ansiedlung durch, um schließlich etwa fünf Kilometer nach Fraser's Hill beim Ye Olde Smokehouse anzugelangen. Dies war ein prachtvoll in den Originalzustand zurückversetztes englisches Soldatenerholungsheim, welches nun als stilechtes Hotel diente. Der Preis für eines der fünf ganz individuell eingerichteten Zimmer lag wohl bei um die 500 bis 600 Ringgit. Nun ja, mir sollte ja ein einfaches Essen genügen, um mich etwas more British zu fühlen. Vorsichtshalber hatte ich außer den Turnschuhen und dem T-Shirt, welches ich anhatte, auch "richtiges" Schuhwerk sowie ein Hemd mit Kragen mitgebracht. In der Tat waren solche Kleidungsstücke sogar hier oben, mitten in der Wildnis, vorgeschrieben. Nun ja, British ist eben British. Zunächst wurde ich ins Kaminzimmer gebeten, wo ich mir's im tiefen Polstersofa bequem machte. Hier ließ es sich abends bestimmt prachtvoll vor dem offenen Kamin liegen und ein gutes Buch genießen. Mir wurde etwas zu Trinken serviert und man fragte, ob ich nun etwas zu Speisen wünsche. Auf meine Antwort hin kam dann bald die Karte, auf der sich typisch englische Gerichte wie Lamm mit Minzsoße befanden. Nun, angesichts der Atmosphäre mußte man ja wirklich authentisch speisen. Also bestellte ich. Man ließ mich wissen, dass ich benachrichtigt würde, sobald das Essen fertig wäre. Einstweilen genoß ich einfach das herrlich eingerichtete Kaminzimmer, vergaß aber nicht, mich auch im restlichen Haus umzusehen, welches wirklich erstklassig und ganz beschaulich eingerichtet war. Etwa nach einer halben Stunde bat man mich dann zu Tisch. Ich ließ meine Sachen im Kaminzimmer um den Speisesaal zu betreten. Heute schien ich der einzige Gast zu sein, und so hatte ich das Gefühl, es sei allein mein Haus und mein Personal. Herrlich! Wie gesagt gab's Lamm, davor leckeren Thunfisch, und das Dessert bestand aus nichts anderem als frischen Früchten, die aber eher malaiischen als englischen Ursprungs waren. So gestärkt machte ich mich nach einer halben Stunde Routenplanung vor dem Kamin auf, die grüne Natur rund um das Smokehouse ein wenig zu erkunden. In der Nähe sollte es einen schön anzusehenden Wasserfall geben, dem ich gerne einen Besuch abstatten wollte. So ging es an einem großzügig angelegten Golfplatz vorbei in den Urwald hinein, welcher freilich nicht ganz so dicht war wie derjenigen, den ich auf der Hinfahrt sah. Man hörte verschiedene Tiere, wobei ich allerdings an den Lauten nicht zwischen Affen oder Vögeln unterscheiden konnte. Wenigstens gab es keine Springspinnen, vor denen man sich hier in Australien in Acht nehmen sollte (kein Scherz!), und so erreichte ich relativ unbeschwert das Ziel meiner kleinen Wanderung schon nach einer dreiviertel Stunde. Den Rückweg trat ich nach einer Pause über eine andere Route an, sodaß ich sozusagen eine kleine Runde um Fraser's Hill gedreht hatte, und so über den Ortskern, in den auch die Einbahnstraße mündet, wieder zurückkam zum Smokehouse. Nachdem ich meine Rechnung dort beglichen hatte, fuhr ich zurück nach Fraser's Hill hinein, um mich auf den Rückweg in Richtung auf KL zu zu machen. Aber wie das schon vorauszusehen war, hatte ich in der Tat die Öffnungszeiten der Einbahnstraße nach unten nicht beachtet, und so sollte ich noch über eine Stunde hier oben warten müssen, bis ich auf die Straße durfte. Nun, auch diese Zeit ließ sich annehmbar verbringen, indem ich noch ein wenig durch den Ort schlenderte. Allerdings brachte sie meinen Zeitplan ganz schön durcheinander, da ich eigentlich vorhatte, auf dem Rückweg einen Naturpark vor den Toren KLs anzusehen. Das könnte also ziemlich knapp werden...

Der Pförtner oben am Straßeneinlaß sagte mir, dass geübte Fahrer die 10 Kilometer durchaus in zehn Minuten schaffen würden. Da lag ich mit meiner halben Stunde bestimmt nicht mehr unter den top ten. Die Fahrt herunter ging in der Tat etwas rascher; in nur einer Viertelstunde hatte ich die Strecke hinter mir. Man muß allerdings sagen, dass ich die Straße ja schon zum zweitenmal befuhr; außerdem hat man bergabwärts einfach eine bessere Straßenübersicht! Die weitere Fahrt verlief dann richtig reibungslos, nur das Auffinden des Parks gestaltete sich einigermaßen schwierig, da ich zwar einen gleichnamigen Golfclub sowie einen Countryclub fand, zu denen mir die Zufahrt verweigert wurde; die Einfahrt zum Park selbst war dann wohlversteckt und nur auf den dritten Versuch hin zu finden. Aber immerhin, ich war da, und hatte damit alles geschafft, was ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte. Die Besonderheit hier war eine Kaskade von Wasserfällen - insgesamt acht Stück - an welcher man Entlangwandern konnte, und zwischen denen natürliche Pools zum Baden einluden. Ich mußte mich aufgrund des schon recht fortgeschrittenen Tages nun entscheiden: Baden oder Wandern? Naja, baden würde ich notfalls auch im Hotelpool können, und daher zog ich eine nochmalige Dschungelwanderung dem Planschen im Wasser vor. Das war auch die richtige Entscheidung, soweit ich es beurteilen kann; denn die Wasserfälle waren allesamt jeder für sich einen Anblick wert, und kurz nachdem ich wieder den Proton betrat, fing auch schon der übliche frühabendliche Regen an, und ich war nur froh, nunmehr ein Dach über dem Kopf zu haben.

Nun folgte der Teil des Tages, vor dem ich mich insgeheim schon lange gefürchtet hatte: Ich mußte durch den abendlichen Geschäftsverkehr wieder heil zurück ins Hotel gelangen, und von nicht zu unterschätzendem Vorteil wäre es sicherlich, wenn der Wagen ebenso unversehrt wieder dort angelangen würde. Aber natürlich verfuhr ich mich dann doch tatsächlich im Straßengewühl KLs - Rechtsverkehr beherrschen und gleichzeitig nicht verfahren war halt einfach zuviel für mich. Da hab' ich mich lieber für's unfallfreie Fahren entschieden... Aber ein hilfsbereiter Malaie bot mir an, mir bis zum Hotel vorauszufahren, und so meisterte ich letztendlich glücklich das Verkehrschaos der Hauptstadt Malaysias.

Abends war ich dann mit meinem Vater in einem malaiischen Restaurant essen, welches nur etwa zehn Minuten zu Fuß vom Hotel entfernt lag. Das Essen war wirklich eine Erfahrung wert: Teilweise sind die Fleischgerichte mit süßer Soße, teilweise mit Erdnüssen angemacht. Man gewöhnt sich allerdings sehr rasch an solche für europäische Gaumen recht ungewohnte Kompositionen. Worauf man allerdings immer achten sollte, ist, daß hier sehr scharf zubereitet wird. Insbesondere ist bei einer speziellen Art von Suppe geboten, welche man selber mit Zutaten versieht: Zunächst kocht man sich eine Art Nudeln, welche im Gegensatz zu den hier bekannten dicker und etwas weniger fest sind; außerdem sind sie weiß. Dann kommen sie in einen Sud, welchen man mit verschiedenen bereitgestellten Gemüsen versehen kann. Das ganze schmeckt dann ausgezeichnet, wenn man nicht zuviel von den so unscheinbar aussehenden roten Minipaprika dazu nimmt: Die sind wirklich höllisch scharf! Ich hatte in meinem Unwissen natürlich jede Menge davon genommen, weil die so nett aussahen. Aber ich sollte bald eine weiter Chance erhalten, meine Suppe unter malaiischer Anleitung gekonnt zuzubereiten - später mehr... Zur Nachspeise gab's eine Art Bonbons, die aber von der Konsistenz nur etwas fester als Götterspeise waren. Sie schmecken allerdings irre gut und man muß aufpassen, dass einem nicht schlecht wird, weil man zuviel davon ißt. Dazu Melone sowie eine Frucht, welche unglaublich stinkt, aber ebenso unglaublich gut schmeckt. Zum Probieren muß man natürlich erst einmal die Gestanksschwelle überwinden und den ersten Bissen wagen! Angenehm an diesem Restaurant war, dass es ein riesiges Buffet gab; so konnte ich in aller Ruhe alles probieren und mir Zeit lassen dabei. Sicherlich hab’ ich an diesem Abend auch etwas zugenommen...

Der nächste Tag, der Mittwoch also, sollte ein in vielerlei Hinsicht aufschlußreicher Tag werden. Soviel sei schon verraten: Noch am Dienstag abend las ich mir genau durch, was dort, wo ich morgen sein sollte, alles verboten war, und wie hoch die Strafen bei Nichtbeachtung wohl sein mochten.

Melbourne: Heute war ich nochmals ausgiebig in der Stadt unterwegs, um nun auch die vorhandenen Sehenswürdigkeiten abzuklappern, nachdem ich mich gestern mehr durch die Stadt hatte treiben lassen und mich an der Atmosphäre und den Menschen erfreut hatte. Von einer katastrophalen Erkenntnis muß ich allerdings unbedingt noch berichten: Schon in Sydney ist mir aufgefallen, daß Mc Donald's Filialen hier schon ein wenig anders sind, als man sie sonst auf der Welt kennt: Hier gibt's beispielsweise sogenannte Mc Express, die nur bestimmte Burger verkaufen, dafür aber sehr schnell sind; außerdem findet man einige Mc Cafe's, die etwas weniger hektisch wirken als die gewöhnlichen Mc Donald's. Und als ich gestern dann einmal einen Burger probierte, schienen die schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu werden: Die schmecken hier auch anders als normal! Ist das nicht erstaunlich: Es schmeckt halt doch nicht überall auf der Welt gleich, nein, hier in Australien ist wirklich ein Unterschied festzustellen. Soviel also zur Mc Donaldistik... Wenigstens kam ich während der Malaysia/Hongkong-Reise niemals in die Verlegenheit, statt lokalem Essen auf solch Fastfood zurückgreifen zu müssen.

Morgen abend geht’s weiter Richtung New South Wales, und vielleicht finde ich während des Fluges wieder ein wenig Zeit zum Tippen. Dann geht's weiter!

30.04.97, 09:30 AEST, Melbourne, Victoria, Australien. Heute geht's mal sofort mitten hinein ins Geschehen, denn viel Zeit war ja nicht, um sich ein Bild zu machen von der Stadt, in der man nicht mehr und nicht weniger geschafft hat als

9 The taming of the Tiger oder: Singapore once more!

Also, verboten ist das Essen und Trinken in der Öffentlichkeit (Strafe S$200), ferner das Rauchen (S$500), das Wegwerfen von Abfall (S$500), das Kauen (S$350) sowie der Import, Verkauf oder Besitz von Kaugummi. Grafittis werden mit Rohrstockschlägen bestraft (mindestens drei, maximal acht), außerdem wird der Sprayer in der Regel auf den Titelseiten der Tagespresse geächtet.

Worauf können solche Maßnahmen nur hindeuten? Ganze klar: Heute sollte es nach Singapur gehen, der saubersten Stadt der Welt, wie gemeinhin gesagt wird.

Aber die Reise dorthin sollte keine alltägliche werden: Um die Reisekasse nicht unnötig zu belasten, zog ich es vor, keinen teuren Flug von KL nach Singapur zu nehmen (hier muß neben dem teuren Ticket noch die Airport Tax für den Changi-Airport entrichtet werden), sondern nur bis Johor Baru zu fliegen, der letzten großen malaiischen Stadt vor der Grenze zu Singapur, um den von dort in den Stadtstaat verkehrenden Shuttle-Bus zu nehmen. So würde mich der Ausflug nur etwa dreihundert Mark kosten, ein akzeptabler Preis für zwei über einstündige Flüge. Somit hieß es aber früh raus, denn wenn ich was sehen wollte in Singapur, so sollte ich zeitig dort sein. Der Flug ging in KL um halb acht, was raus aus den Federn schon um fünf Uhr bedeutete. Das Flugzeug war angenehm leer, nur leider gab es kein Frühstück, wie ich eigentlich erwartet hatte. So sollte ich wohl bis Singapur hungrig bleiben. Zu bemerken bleibt noch, das ich im Flugzeug an einem Notausstieg saß, was bedeutete, daß die Fenstersitze der zwei Reihen vor mir ausgebaut waren, und ich so wirklich "grenzenlose" Beinfreiheit hatte.

In Johor Baru nach einer Stunde Flugzeit angekommen, blieb, wie schon befürchtet, kaum Zeit, sich nach Eßbarem umzutun. Es hieß schnell ein Ticket für den Shuttle nach Singapur zu kaufen, der dann auch bald den Flughafen dort verließ. Nun dachte ich ja, mich nach einer halben Stunde Fahrt im Herzen Singapurs, auf der Orchard Road zu befinden. Aber nichts da: Mindestens anderthalb Stunden bräuchte der Bus, hieß es, zuzüglich der Grenzformalitäten. Nur gut, daß ich abends den letztmöglichen Flug zurück vorgesehen hatte.

Allein schon an der Grenze, welche wir schließlich erreichten, zeigte sich der Perfektionismus dieses Stadtstaates. über eine Brücke, welche Singapur von Malaysia trennt, gelangen alle Fahrzeuge an die Grenzstation. Nun kommen hier ja nicht nur Pkws und die Shuttlebusse sowie der eine oder andere Reisebus durch; vielmehr strömen eine Unmenge Pendler jeden Morgen nach Singapur hinein, die abends wieder zurück müssen nach Malaysia. Trotz dieser Menge an Menschen, welche hier täglich die Paßkontrollen zu durchlaufen haben, ist man nach weniger als zehn Minuten "durch", und anstehen war auch kaum vonnöten. Nun ging es auf die letzten zwanzig Kilometer von der Grenze bis nahe dem Zentrum dieses kleinen Wirtschaftsriesen am südlichen Ende Malaysias. Zu Beginn der sechziger Jahre löste sich ja Singapur von Malaysia - oder wurde aus dem Staat herausgeschmissen, je nach Sichtweise. Jedenfalls waren nach der Sezession sowohl die Malaien als auch der neue soveräne Stadtstaat sehr zufrieden. Was daraufhin innerhalb der nächsten dreißig Jahre der Premier Singapurs aus der Stadt machte, schlug allerdings alle Rekorde. Vor kurzem erst trat dieser de-facto-Diktator ab, kontrolliert aber nach wie vor, jetzt halt aus dem Hintergrund, die Geschicke seines Staates. übrigens ist das, was Singapur erreicht hat, nunmehr die Maßlatte für Malaysia, dessen Regierung in ihrer Vision 2020 das Ziel anstrebt, in zwanzig Jahren das abtrünnige Singapur wirtschaftlich überholt zu haben. Wenn man sich ansieht, wie in KL die Hochhäuser gen Himmel schießen, stehen die Chancen hierfür womöglich gar nicht so schlecht...

Mittlerweile war der Bus am Shuttleterminal der Malaysian Air in Singapur angekommen. Von dort waren es mit dem Taxi noch etwa fünf Minuten bis zur Orchard Road, sozusagen der Königstraße Singapurs. Taxifahren in Singapur ist eine besonders schöne Sache, weil die Fahrer sehr gesprächig, die Preise moderat bis günstig, und die Taxieinrichtung äußerst bequem ist. Der Fahrer ließ mich also gleich in der Nähe der großen Einkaufsmeile Singapurs aussteigen, und da war ich nun, mitten in dieser riesigen Kommerzmetropole, ganz allein. Das erste, was man wohl die Orchard Road hinunterschlendernd tut, ist, die Auslagen der zahlreichen Geschäfte ansehen und dabei die Kreditkarte gut festhalten. Ja, man muß wirklich aufpassen, den sonst kann es geschehen, daß man plötzlich in einem der shops steht. Und schon wirst du umschwirrt von einem halben Dutzend auf Dich einredender Chinesen. Und eh du dich versiehst, haben sie Dich auch schon übers Ohr gehauen. Aber ich hatte mich ja in KL schon ein wenig im Handeln geübt...

03.05.97, 15:50 AEST, über Newcastle, New South Wales, Australien, Gegenwart: Mittlerweile befinde ich mich bereits 275 km nordwestlich von Sydney, und du merkst, es geht langsam der Heimat entgegen. Jetzt heißt es zunächst einmal die sieben Stunden nach Singapur einigermaßen angenehm zuzubringen, bevor es dann über Bangkok weiter nach Frankfurt geht. Zur Information: Heute ist der 3. Mai, und momentan ist es 14 Uhr Australian Western Time (AWST). Wieder mal liegen zwanzig Stunden Flug vor mir - vielleicht bringe ich ja die Singapur-Episode noch fertig. Denn ab Donnerstag begann sicher der interessanteste Teil der Reise, Hongkong, und ich hoffe, mich noch einigermaßen gut erinnern zu können!

Aber Australien: Es ist ein traumhaftes Land, das ich als Reiseziel nur empfehlen kann. Die Eindrücke sind jede Minute des zwanzigstündigen Fluges wert, und von diesem großartigen Kontinent gäbe es auch wieder Bände zu erzählen. Oder Bildbände zu machen...

So, jetzt aber mal wieder zurück nach Singapur.

Am Ende der Orchard Road angekommen (ohne auch nur einen Cent ausgegeben zu haben!), setzte ich mich erst mal am Quai hin, um die herrliche Atmosphäre zu genießen, einige Postkarten zu schreiben, und zu überlegen, wo ich denn nun Mittagessen könne. Zunächst fiel meine Wahl auf Westam Stanford, da es dort ein Restaurant ganz oben in einem Hochhaus gab. Nur dummerweise hatten die grade zu, und so hieß es für mich, erneut im city guide auf Suche zu gehen. Die nächste Wahl wäre wohl das Raffles, nach dem Gründer der Ansiedlung am Südzipfel Malaysias benannt. Als fuhr ich mit dem Taxi gleich einmal dorthin. Das Raffles ist ein altes im Kolonialstil gehaltenes, großzügig gehaltenes und prachtvoll erhaltenes Hotel. Es ist eine wahre Freude, durch die Arkaden und kleinen Gärtchen im inneren des Komplexes zu lustwandeln (Ach, kann ich mich geschraubt ausdrücken, was?). Naja, lustwandeln hin oder her, ich hatte Hunger! Also lieber irgendwo in diesem Hotel, welches als das teuerste der Welt gilt, wie ich später erfahren sollte, ein - auch preislich - einigermaßen akzeptables Restaurant gesucht. Das war auch relativ schnell gefunden, denn das Raffels hat insgesamt ein Dutzend verschiedene Restaurants, von Chinesen über einen Italiener bis hin zu einem Bistro, für welches ich mich entschieden hatte. Aber dort kam es ganz dicke: Turnschuhe waren hier nicht angesagt (hätte ich mir ja denken können!), und so konnte ich abermals eine neue Chance suchen, etwas zu Essen zu bekommen! Um die Story abzukürzen: Schließlich fand ich ein Hotel á la KL Hilton, welches erstaunlich günstige Essenspreise hatte: Ein Hauptgericht war für etwa 20 S$ (also so um die 21 DM) zu haben. Bevor ich noch lange weitersuchen hätte müssen, bin ich dort hinein: Was soll schließlich der ganze Geiz! Und so hab ich dann auch Singapur-angemessen gegessen.

Um nachmittags einen guten Überblick über die ganze Stadt zu erhalten, nutzte ich abermals eines der bequemen Taxis: Für weniger als dreißig Mark konnte ich zwei Stunden lang durch die Stadt kutschieren lassen. Noch dazu war der Taxifahrer sehr redselig und zeigte mir all die markanten Punkte der Stadt, wie den Containerhafen, die Singapur vorgelagerte und per Seilbahn erreichbare Insel, die downtown, den berühmten Löwen Singapurs und vieles mehr. So verging der Nachmittag wie im Fluge, und besser als mein Taxifahrer hätte mir auch kein Reiseführer die Stadt zeigen können. Falls nötig stieg er sogar mit mir aus, und lief zum einen oder anderen Gebäude mit. Am Ende des Tages brachte er mich zum Busterminal der Malaysian Air, von wo es bald wieder zurück nach Johor Baru gehen sollte. 'Wenn ich die Busfahrt nur schon hinter mir hätte', dachte ich bei mir, als der Bus anfuhr.

Die ersten dreißig Minuten bis zur Grenze fährt man tatsächlich auf Gebiet Singapurs - ganz so klein ist der Stadtstaat auch nicht. Beim Herausfahren aus dem Land fällt dann noch das letzte Kuriosum dieses so strikt organisierten, aber dennoch faszinierenden kleinen Finanzriesen auf: Die Autofahrer, welche das Land verlassen, sind gehalten, ihre Fahrzeuge zu mindestens drei Viertel aufzutanken. Strafe bei Nichtbeachtung: S$500. Aber die Menschen dort scheinen trotz allem glücklich zu sein, wie mir beispielsweise der Taxifahrer bewies. So also ist Singapur. Nun lag nur noch der Flug zurück nach KL vor mir.

Gegenwart: Wahnsinn! Nach über vier Stunden Flug haben wir grade erst den Kontinent verlassen und sind über dem Indischen Ozean. Kaum vorstellbar: Vier Stunden, viertausend Kilometer, bis man überhaupt von südöstlich gelegenen Sydney nach Darwin und Derby kommt, also um vom Pazifik zum Indik zu gelangen. Meine Herren, solche Entfernungen faszinieren einfach! Leider habe ich von den riesigen Ausmaßen Australiens nicht allzuviel mitbekommen, die Zeit hat nur für Sydney und Melbourne gereicht - dafür war die Entscheidung für Australien ja auch recht spontan. Die Zeit möchte ich trotzdem nicht missen. Allein Sydney: Die Harbour Bridge, die die Szenerie beherrscht, gleichwohl nicht dominiert, sich auf jedem Photo dezent in den Hintergrund schummelnd. Und die einzigartige Form des Sydney Opera House, expressionistische Architektur, die sich angenehm ins Bild fügt und der Skyline Sydneys eine Einzigartigkeit verleiht, welche die Stadt 'remarkable' macht, auszeichnet von den restlichen Städten der Welt. Ich sollte aufpassen, das ich nicht zu sehr ins Schwärmen komme, oder? Aber die Oper im Sonnenuntergang, oder ein Abend in den Rocks, das sind Erlebnisse, die man nicht verpassen darf, hat man einmal die Möglichkeit, Sydney kennenzulernen und lieb zu gewinnen. Wahrscheinlich wäre ich einfach noch gerne zwei Wochen länger geblieben...

Grundsätzliche Unterschiede bestehen tatsächlich zwischen KL und Hongkong einerseits und Sydney und Melbourne andererseits: In Malaysia sollte man sightseeing unternehmen, Kultur betrachten, man kann dann akkurat Buch führen über seine Erlebnisse. Auch Hongkong: Alles, was man erlebt, ist gut beschreibbar, wenn auch die Eindrücke mit Worten nur sehr unvollständig wiederzugeben sind. Australia on the other hand means strolling around. Hier ist die Atmosphäre so beeindruckend, dass man nichts suchen muß, was es anzusehen oder zu besichtigen lohnt, man stößt geradezu drauf. du läßt dich treiben, findest immer neue Orte, an denen du noch nicht warst, und bist beständig aufs neue fasziniert und begeistert. Und bist du in Sydney, dann siehst du jeden Abend als Abschluß deiner täglichen Erlebnisse die Harbour Bridge, deren Anblick faszinierender ist als die Skyline Hongkongs, wage ich heute mal zu behaupten.

Nun aber Singapore once more! So, grade sitze ich nunmehr wieder mal in Singapur im Transit und warte darauf, dass QF 5 um 22:35 hiesiger Zeit den Flug gen Frankfurt fortsetzt. Der Flughafen ist wirklich unglaublich sauber, genauso wie die ganze Stadt. Alles ist ordentlich, korrekt, "most efficient", wie der Steward gerade im Flugzeug noch so schön bemerkte. Schade, daß ich damals nur die wenigen Stunden hier verbringen konnte, und von diesem groben ersten Eindruck, den ich bekam, auch schon alles berichtet worden ist. Aber der Rückweg nach KL ist in der Tat noch einige Zeilen wert. Laß uns aber erst mal wieder einsteigen und den Flieger Reiseflughöhe erreichen...

So, dieselbige hätten wir gerade erreicht, und Essen gab's auch schon wieder. Bis jetzt merke ich noch nichts davon, daß bereits fast zwölf Stunden vergangen sind, seitdem der Jumbo Sydney verlassen hat. Beim Einsteigen vorhin ist wieder etwas passiert, was typisch für Singapur war. Genauer gesagt: sogar zwei Dinge. Zuerst scheuchte im Transitraum ein Sicherheitsbeamter zwei Frauen auf, die sich auf den Boden gesetzt hatten, da alle Sitzgelegenheiten bereits besetzt wären. Beim Einsteigen dann hielt ein anderer Beamter alle fünf bis zehn Leute die nachfolgenden mit der Bemerkung "It's congested" vom Einsteigen zurück. Ganz höflich entschuldigte er sich kurz daraufhin, als es weiterging: "Sorry for any inconvenience due to waiting." Solche Erlebnisse sollte man wohl unweigerlich mit Singapur verbinden…

Der vorerst letzte Teil der Malaysiaerlebnisse liegt nun schon eine ganze Weile hier auf der Platte, und die Korrekturen hab ich grade gemacht. Leider hört die heutige Geschichte ein wenig melancholisch auf, aber ich wollte am Text, der auf dem Rückflug von Sydney entstand, im Nachhinein nichts mehr ändern. Wenn ich mal wieder Zeit finde, gibt’s vielleicht noch die Hongkong-Fortsetzung.

10 Ein bemerkenswerter Flug

03.05.97, 22:48 GMT +05:00, Bangkok, Thailand.Erst einmal müssen wir feststellen, welcher Flug denn nun der bemerkenswerte ist: Dieser hier oder der von Johor Baru nach KL. Zunächst: An den Qantas-Fluegen finde ich bemerkenswert, dass sie so kurze Flugnummern haben. Beispielsweise ist dies hier QF5 nach Frankfurt. QF11 geht nach LA, QF1 - klar! - nach London. Es ist doch irgendwo schöner, sich an Bord von QF5 zu wissen, als die Flugnummer LH4028 oder CX332 im Kopf zu haben, oder? Nebensächlich? Klar, mag sein, aber bemerkenswert trotzdem. Aber der eigentlich bemerkenswerte Flug, nicht wegen seiner Flugnummer, sondern einiger Ereignisse, ist doch der zurück nach KL, und von dem soll auch gleich die Rede sein.

So, vorab aber noch ein paar Zeilen aus Bangkok, wo ich wieder einmal auf die Fortsetzung des Fluges warte. Diesmal allerdings bei noch immer gut dreißig Grad Celsius, trotz einer Ortszeit von 00:30. Und was hier noch los ist um die Zeit: Die 747 mußte fast eine halbe Stunde auf dem Vorfeld warten, da der Flughafen eine ganze Weile "congested" war, wie der Flight Officer bald verkündet hatte. Puh, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind hier noch anstrengender als in Malaysia, so scheint es. Und Klimaanlagen wie in Singapur, nun, die suchst du hier vergeblich.

Grade bin ich fünf Sekunden zu spät zum boarding gekommen. Nein, der Flieger ist alles andere als weg, aber hier sitzend und tippend sehe ich kaum über die vielen Leute hinweg, die offensichtlich gar nicht schnell genug wieder in die Maschine kommen können, um dort weitere acht oder neun Stunden zuzubringen. Na jedenfalls warte ich jetzt erst mal, bis ich wieder klar sehe, mit Portfolio und Focus von letztem Montag bin ich da ganz gut ausgerüstet. Bis jetzt jedenfalls hat sich die Menge vor mir noch nicht bewegt, und ich frage mich, ob das alles Deutsche sind, die wieder mal überall als erste sein wollen... Es scheint mir fast so zu sein. Andererseits sollte man sich natürlich auch fragen, warum denn nun so rein gar nichts weitergeht. Aber jetzt wirklich zurück nach Johor Baru, vielleicht bekomme ich die ersten Sätze ja noch in Bangkok hin:

Also, schließlich mit dem Bus nach ziemlich langer Fahrt - sie erschien mir zumindest so - und halbstündigem Stop in Johor Baru erreichte der Shuttlebus den Flughafen. Die Rückfahrt ist bemerkenswerterweise viermal so teuer wie die morgendliche Hinfahrt war; dies erklärte mir zumindest, warum ich keine return tickets in Johor Baru kaufen konnte. Am Flughafen angekommen wollte ich zunächst sehen, die baldmöglichst startende Maschine zurück noch zu bekommen: Die Chancen standen nämlich nicht schlecht, eben noch auf den vorletzten Flug zurück nach KL zu kommen. Jedenfalls wurde ich - bedeutungsschwer in Anbetracht der Flughafengröße - auf die entsprechende Warteliste gesetzt, was im Prinzip hoffen hieß, von diesem Feldflugplatz (sprechen wir's halt mal aus wie's ist) wieder back to KL und back to my beloved Hilton zu kommen. Jedenfalls war's im Wartebereich von Johor Baru bestimmt nicht schwüler als es grade hier ist. Wartebereich ist gut, es waren, um eine präzise Schilderung zu geben, einige Sitzreihen, welche in dem halboffenen Gebäude provisorisch aufgestellt waren. Von hinten wärmte die Abendsonne, die schon tief am Horizont stand und tiefe Schatten in die Halle warf, deutlich spürbar meinen Rücken, sowie die Rücken der circa zweihundert anderen Menschen, die teils sitzend, stehend und liegend den Raum bevölkerten. Mittendurch erstreckte sich eine Schlange von etwa zehn Kofferkulis, bis obenhin bepackt mit Koffern und Fernseherverpackungen, so hoch, dass man die sie schiebenden Personen kaum ausmachen konnte. Naja, ein wenig übertrieben mag das jetzt sein, aber der Anblick war schon mehr als verblüffend. Was waren das für Leute, die hier Mitten aus der Provinz mit soviel Gepäck abreisten? Allesamt Männer, teilweise umringt von Familien, Frauen und kleinen Kindern. Allesamt sahen sie etwas hilflos aus, aber einer von ihnen, Sakko, Seidenhose, Rolex, schien so etwas wie ihr Anführer zu sein. Redete mal mit dem, man mit jenem, dann wieder mit dem Personal am Check-In. Aber weiter ging nichts, abgefertigt wurde lange Zeit keiner dieser Leute. Und dann sah ich dieses kleine Mädchen, das auch da war, ihren Vater zu verabschieden, fröhlich mit den anderen Kindern spielend, umherrennend in der vom Sonnenlicht durchfluteten Halle: Fast hätte man nicht gemerkt, dass ihr ein Fuß fehlte, nein, er war gewissermaßen verdreht, sie hatte zwei normale Schuhe an, deren einer nach hinten zeigte. So traurig diese Erkenntnis war, und so beklemmt ich in der plötzlich so stillen Halle saß und diesem kleinen Mädchen nachstarrte, so wurde mir doch klar: So wie sie umhertanzte war sie das glücklichste Kind der Welt. Wie würde wohl ihre Zukunft aussehen?

In die Stimmung paßt ein Satz ganz gut, den ich vorhin im Focus gelesen habe: "Alle Länder, in die wir kamen, waren arme Länder. Aber plötzlich fiel mir auf: Das ist die Welt."

04.05.97, 05:55 MET, über Budapest, Ungarn.

Zwanzig Minuten vor Abflug kam dann die erfreuliche Nachricht: Ich war auf der früheren Maschine! Na prima, jetzt konnte ja nichts mehr schiefgehen. Platz 20F, das deutete auf eine 737 hin, ein Jet also, welcher eine kurze Reisedauer nach KL versprach. Nachdem ich jedoch so knapp vor Abflug den Platz bekam mußte ich mich sputen, um noch auf das Flugzeug zu gelangen, welches bereits mit laufenden Triebwerken auf dem Flugfeld wartete. Beim Einsteigen konnte ich nur eines bemerkten: Bombenvoll, bis auf den letzten Platz. Noch dazu war es eine kleine 737 mit genau zwanzig Reihen. Somit hatte ich mit 20F aber wortwörtlich den letzen Platz! Die Männer mit dem vielen Gepäck saßen offensichtlich auch hinten. Aber nicht dass du glaubst, sie hätten wenigstens alles aufgegeben: vielmehr hatte es den Anschein, als hätten sie die sperrigsten Sachen mit in die Kabine genommen. Bei den kleinen Gepäckablagen der ausgebuchten 737 mußte das ja Ärger geben. Der Chef im Sakko regte sich lauthals über meinen Rucksack auf, weil er es nicht schaffte, seinen riesigen Pilotenkoffer noch in die Ablage zu stopfen. Einige der Männer hatten erhebliche Probleme, ihren Platz zu finden, es hatte fast den Anschein, als könnten sie nicht lesen. Aber solange nicht alle saßen, konnte das Flugzeug natürlich nicht zum Start rollen, und die Besatzung hatte alle Hände voll zu tun, im hinteren Drittel der Maschine einigermaßen für Ruhe zu sorgen. Neben mir saß eine Chinesin oder Singapurchinesin. Wir hatten so wenigstens ein Gesprächsthema, da sie, genau wie ich, offensichtlich öfters flog als diese Leute. Natürlich erzähle ich ihr von meinen Erlebnissen in der Halle; aber erklären, was genau da los war, konnten wir es uns beide nicht. Jedenfalls war ich somit nicht der einzige, der die Situation ruhig und gelassen nahm, und das war ja schon mehr als beruhigend. Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis alles saß und die Boeing endlich zum Start rollen konnte, nachdem ich letztlich den Steward zu seiner erheblichen Erleichterung gebeten hatte, mir meinen Rucksack doch in die Hand zu geben, damit die große Tasche in die Ablage paßt. Jetzt konnte ja nichts mehr schiefgehen. Ich würde erschöpft aber zufrieden in KL ankommen, und meine Sitznachbarin sollte ihren Anschlußflug auch noch bekommen. Alles in allem lag ein Tag voller Eindrücke und neuer Erfahrungen hinter mir. Ach ja: Was waren das nun für Menschen? Nun, es waren Pakistanis, deren Arbeitserlaubnis nach fünf Jahren in Malaysia abgelaufen und nicht mehr verlängert worden war. Sie wurden daher abgeschoben. Frauen und Kinder, die sie hier mittlerweile hatten, würden sie womöglich lange nicht mehr sehen, wenn überhaupt. Ich hatte das Mädchen aus der Wartehalle noch immer in Gedanken vor mir, wie sie tanzte.


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    Robert Wagner, 20. August 1997
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