Der Reisebericht, Teil 1
Der folgende Reisebericht über die
Malaysia-Tour dieses Frühjahr entstand kurz vor und schließlich
auch während meines Australientrips, knappe drei Wochen,
nachdem ich aus Malaysia zurückkam. Daher verstricken sich
die Malaysia- und Australien-Erzählstränge auch relativ
bald, nämlich ab dem Zeitpunkt, als ich im Flugzeug nach
Sydney saß und dort genug Zeit hatte, weiterzuschreiben.
So hoffe ich, diese Einleitung beugt eventueller Verwirrung
vor (die Passagen, welche sich auf die australische Gegenwart beziehen, sind grün), und wünsche gute Unterhaltung mit den folgenden Zeilen...
Zwei Dinge gilt es noch zu bemerken: Leider endet dieser Bericht relativ abrupt, ihn mit den Erlebnissen in Hongkong und
dem Rückflug zu beenden, blieb nicht mehr genug Zeit; Fotos aus Hongkong finden sich aber dennoch auf meinen Fotoseiten, genauso
wie einige Aufnahmen von Sydney und Melbourne, die ich in diesen Bericht nicht auch noch hineingenommen habe, um die Verwirrung nicht
zu komplettieren.
1 Mittendrin
Die Frage ist nur: wo anfangen zu erzählen?
Vielleicht mit den spektakulärsten Erlebnissen? Oder besser
chronologisch vorgehen? Okay, fangen wir halt einfach mal am Donnerstag
an: Ziemlich erschöpft kamen wir also abends, es war schon
dunkel, in KL an. Das erste, was einem auffällt, sind die
breiten Highways (wohl wie in Amerika), die enorme Luftfeuchtigkeit
kombiniert mit bestimmt immer noch 28 Grad Celsius auch abends,
die vielen geschäftigen Menschen, und die alles überragenden
Twin Towers, von denen ich schon geschrieben habe, oder? Auf
der Fahrt ins Hotel begann es dann auch noch heftig zu regnen,
was aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf Samstag sein sollte.
Das Hotel, es hieß Concorde, machte einen relativ
kühlen und nüchternen Eindruck, Atmosphäre hatte
es keine. Aber so erschöpft wie ich war, war ich nur froh,
ein Bett und ein nicht ganz so heißes Zimmer zu haben
Man läßt ja sogar nachts gerne die Klimaanlage laufen.
Die erste Nacht schlief ich trotz Jetlag von immerhin +06.00 Stunden,
das heißt "mein" Donnerstag hatte nur 18 Stunden,
wirklich gut und fest. So fest, daß ich am Freitag glatt
das Frühstück verpennte, und mich um halb elf allein
mein Vater war längst in der Firma in KL vorfand. Wenigstens
konnte ich mich verständigen, denn in Malaysia spricht man
außer Bashamalay auch Englisch, und zwar relativ gut; Malaysia
wurde ja erst 1957 von England unabhängig. Die englische
Vergangenheit merkt man beispielsweise am Linksverkehr, oder daran, daß
man manche Restaurants mit Turnschuhen, Jeans oder gar kurzärmelig
nicht betreten darf, hier sei schon einmal auf Dienstag und Mittwoch
hingewiesen. Weiterhin ist erwähnenswert, daß Malaysia
ein muslimisch geprägter Staat ist; Zeitungen und Fernsehsender
führen eine strenge, aber freiwillige Selbstzensur durch.
Man sieht auf den Straßen viele Frauen mit Kopftüchern,
was ich in Asien eigentlich nicht erwartet hätte. Die Regierungsform
ist eine konstitutionelle Monarchie, es gibt also einen König.
Das Land unterteilt sich in 9 Sultanate und 4 anders regierte
Teile. Die 9 Sultane wechseln sich alle fünf Jahre auf dem
Thron ab, allerdings hat die wahre Macht der Ministerpräsident,
der oft von der Freizügigkeit und Dekadenz des Westens spricht,
und für sein Land das hochhalten der kulturellen, historischen
und moralischen Werte beansprucht. Eine Woche nach meinem Besuch
sollte Bundespräsident Herzog nach KL kommen - Schon bei
meinem Abflug waren die Straßen deshalb mit malaiischen
und deutschen Flaggen geschmückt: Flaggen auf den Straßen
mögen die Malaien wohl wirklich gern. Auf allen größeren
Straßen in der Stadt wehen solche malaiische Flaggen, zum
Beispiel auch auf der Jalan Sultan Ismail, in der unser Hotel
lag ("Jalan" heißt Straße). Die Flagge selbst
verwechselt man gerne mit der der Vereinigten Staaten. Sie enthält
nur anstelle der fünfzig Sterne einen gelben Halbmond neben
einem ebenso gelben Stern. Die rot-weißen Streifen sind
traditionell in südostasiatischen Staaten üblich (vgl.
Indonesien, Thailand), während das Blau für die Einheit
der einzelnen Bevölkerungsgruppen innerhalb Malaysias steht.
Gelb ist die königliche Farbe; die Symbole - Stern und Halbmond
stehen für die vorherrschende Religion, den Islam. Es sind
14 Streifen auf der Flagge zu finden, obwohl wir nur 13 Landesteile
zählen. Das rührt von der Sezession Singapurs 1965.
Die Flagge blieb unverändert, und der vierzehnte Streifen
symbolisiert halt jetzt die Staatsregierung.
Wo war ich? Ach ja, mitten in KL, ganz allein.
Nun, das erste was ich tat, war, einige Buchläden aufzusuchen,
deren es viele in den zahlreich vorhandenen Einkaufszentren gab,
die in 10 Minuten Fußweg vom Hotel zu erreichen waren. Hier
kann man wirklich günstig englische und amerikanische Bücher
erstehen, ebenso wie in Malaysia, Hongkong, Singapur oder Australien
(ist immer noch acht Flugstunden weg!) herausgegebene Bände.
Nach zwei Stunden hatte ich bereits drei Mathebücher sowie
einen dicken Schinken über Javascript erstanden, die ich
mit Müh und Not nach Hause brachte (die ersten 2.5 kg Übergepäck,
es sollte noch mehr folgen, viel mehr...). Auf dem Weg aß
ich auf einem Markt mitten zwischen Hochhäusern und Banktürmen
zu Mittag, wo offensichtlich auch viele gutgekleidete Geschäftsleute
Mittagspause machten. Jeder hat hier sein Handy in der Hand, die
Dinger piepsen unentwegt, die neuesten Modelle spielen Melodien
als Zeichen, daß jemand anruft, und in der Tat, sie klingeln
sehr oft. Vermutlich ist es einfach günstiger, sich so ein
Handy zu beschaffen, als darauf zu warten, dass man Zuhause einen
Telefonanschluß gelegt bekommt.
Für den Nachmittag hatte ich mir relativ
bald vorgenommen, erst einmal eine Stadtführung mitzumachen.
Denn alles, was ich bisher gesehen hatte, waren drei riesige Einkaufszentren
Lot 10, das Bukit Bitang Plaza sowie The Weld. Zum BB Plaza
ist zu sagen: es stellt wirklich eine außergewöhnliche
Kombination dar. Betritt man es, so findet man sich in einer großzügig
gestalteten, modernen shopping mall im besten Sinne. Ob Esprit
oder Benetton, Radio Shack, Marks and Spencers',
alles ist hier vertreten. Kommt man aber weiter, tiefer hinein,
so werden die Gänge immer enger, die stores immer kleiner,
bis man sich zwischen nur noch garagengroßen Lädchen
mit Stoffen, Kosmetika, und vielem vielem Kram befindet. Fast
labyrinthmäßig ziehen sich diese Gänge immer tiefer.
Man ist froh, wenn man sich schließlich im "westlicheren"
Teil des Bukit Bitang wiederfindet, nicht ganz sicher, wie man
wieder herausgefunden hat.
2 Von KL nach Südafrika...?
So wartete ich also circa zehn Minuten,
bevor man mich in der Hotellobby auflesen wollte. Gar nicht so
einfach, unter den vielen umherschwirrenden Menschen den "richtigen"
herauszufinden. Alle Welt läuft hier höchst geschäftig,
das Handy ständig am Ohr, durch die große, ein wenig
kühl wirkende, allseitig mit Marmor ausstaffierte Halle.
Zudem hatte ich das Problem, bis zu diesem Zeitpunkt noch keine
einzige Postkarte erstanden zu haben - nicht einmal im Hotel gab
es welche. Ob man diese Form der Urlaubskarten überhaupt
kannte? Langsam fing ich an, daran ernsthaft zu zweifeln. Während
ich noch im Reiseführer ein wenig über KL las, um herauszufinden,
was mich innerhalb der nächsten vier Stunden so erwarten
würde, klopfte mir schon jemand dezent auf die Schulter:
"Are you Mr W...wagner?" Lustig, seinen eigenen Namen
auf Englisch zu hören. überhaupt hatte ich mir das Buchstabierens
meines Namens schon längst angewöhnt ("Dabbelju-ey-tschiee-enn-eih-ar"),
da viele Menschen Probleme haben, "Wagner" korrekt niederzuschreiben.
Aber schon folgte ich ihm es war offensichtlich der Reiseführer
- durch die kühle Halle hinaus in die Hitze, um sofort in
einem klimatisierten Bus Platz zu nehmen; so klimatisiert, daß
ich mir sofort einen Pullover überziehen mußte. Das
Tour-Unternehmen hatte eine relativ geniale Methode, die einzelnen
Touren zusammenzustellen: Mehrere Busse klappern jeweils drei
bis vier Hotels ab, und bringen alle Teilnehmer zunächst
zu einem sogenannten Handicraft-Centre. Wie vernünftig diese
Methode bei dem herrschenden Verkehr ist, wurde mir auch sofort
klar. Im Handicraft-Centre werden dann erst die einzelnen Touren
zusammengestellt. Hier ist nun genau so viel Aufenthalt eingeplant,
daß die Touris sich zunächst einmal mit verschiedensten
Souvenirs, Mitbringseln und wer glaubts? Es gibt sie! Postkarten
eindecken können. Allerdings war die Resonanz auf dieses
Angebot doch eher mäßig. Kaum jemand nutzte die Angebote,
von mir, Postkarten kaufend, mal abgesehen, da ich froh war, endlich
welche gefunden zu haben und gleichzeitig nicht sicher, wann sich
das nächste mal solch eine Gelegenheit ergeben würde.
Überhaupt ist es groß in Mode, die Tourteilnehmer in
verschiedenste sogenannte Showrooms zu lotsen, wo man die tollsten
Dinge kaufen soll. Das tat allerdings auf den Touren, die ich
unternahm, kaum jemand, außer vielleicht einige Amerikaner.
Aber das ist schon wieder etwas vorgegriffen... Denn die Citytour,
deren Bus ich nach etwa zwanzig Minuten Schlenderns durch das
Centre betrat, bestand aus weniger als einem Dutzend Teilnehmern.
Malaysia hat die angenehme Eigenschaft hat, kein Massentourismusland
zu sein. Entsprechend angenehm war es auch, daß die Tour
eben nur aus nicht mehr als zwölf Leuten bestand. Das erste
Ziel war der Unabhängigkeitsplatz im Herzen KLs. Die Unabhängigkeit
wurde 1957 zwar nicht hier in KL verkündet, sondern in Malacca,
aber natürlich muß die Hauptstadt einen Unabhängigkeitsplatz
besitzen! Der Ehre dieses Platzes angemessen ist hier Essen, Trinken,
Rauchen, Walkman hören, und so weiter verboten worden. Auf
der linken Seite des Platzes erstreckt sich das ehemalige Regierungsgebäude
im englischen Tudorstil. Dessen Kulisse bildet eine Skyline von
Hochhäusern - ein reizvoller Anblick. Vor allem die vielen
orientalisch anmutenden Türmchen kontrastieren auf interessante
Weise mit der modernen Architektur im Hintergrund. Auf dem Platz
selbst befindet sich der höchste Fahnenmast der Welt, an
dessen Spitze die 21 × 29 m große Fahne Malaysias im warmen
Wind weht. Rechterhand steht das Clubgebäude des Royal Cricket
Clubs, und jetzt ist auch klar, was der Platz vor 1957 war: Die
Cricketwiese. Im Clubhouse traf sich bis dahin die die britische
Führungsschicht. Nun, heute hat sich da eigentlich wenig
geändert: Auch jetzt trifft sich hier die Oberschicht der
Stadt, allerdings sind das heute ausschließlich Malaien.
Unterhalb der Grünfläche plant man, was wohl, ein riesiges
Einkaufs- und Entertainmentcenter, denn was auf dem Platz verboten
ist, kann ja unten getrost erlaubt sein.
Die Citytour führt weiter an den großen
Stadien der Stadt vorbei, wo soccer gespielt wird und schon
große Künstler aufgetreten sind: Sting, Tina Turner,
Elton John... hierauf jedenfalls ist der tour guide, besonders
stolz, er heißt übrigens Mohammed, was mich daran erinnert,
daß wir hier in einem islamischen Land sind. Nächster
Stop ist das war memorial, etwas außerhalb im Grünen
gelegen. Allerdings kann man von hier aus immer noch das heutige
Regierungsgebäude, welches am Rand des Unabhängigkeitsplatzes
steht, erkennen: Ein modernes Hochhaus mit dreizehn Spitzen, die
die dreizehn Regierungsbezirke des Landes symbolisieren sollen.
Das war memorial selbst hat mich dann doch ein wenig stutzig
gemacht. Als Gedenken an die beiden Weltkriege und die emergecies
1948-1960 erschien es mir doch reichlich brutal und aggressiv.
Oder wie würden wir eine riesige Plastik, welche Soldaten
mit MGs, auf den erschossen hingestreckten Feinden stehend, die
nationale Flagge in Händen, beurteilen? Na ja, wie auch immer
man dies Denkmal aufnimmt, so ists doch interessant, daß
es von islamischer Architektur mit Türmchen und Zinnen gesäumt
ist.
Weiter ging es dann richtig national
mosque, einem Neubau, in dem bestimmt 5000 Gläubige Platz
finden. Von einer Besichtigung allerdings sah die ganze Gruppe
ab, denn mittlerweile hatte es ganz stark zu regnen angefangen.
Wieviel Schaden dieser Regen anrichten kann, sollte ich noch früh
genug mitbekommen. Momentan allerdings hinderte er mich nur daran,
den Bus zu verlasen, und so fuhr man an Moschee und Bahnhof weiter,
dem nächsten Ziel entgegen. Der Bahnhof besteht übrigens
aus einem wunderschönen weißen, im Tudorstil erbauten
Gebäude. Wüßte man nicht um seinen wahren Zweck,
so käme er einem vor wie ein richtiges kleines Märchenschloß:
Zinnen, Türme, ... wie viele der kolonialen Gebäude
hier.
Einen ähnlich kurzen Aufenthalt gab&146;s
dann aufgrund des Regens auch nur am Königspalast, den man
nur von einiger Entfernung durch die Umzäunung erspähen
kann. Kurzes Photo, schnell wieder in den Bus, und weiter ging
es in Richtung Nationalmuseum. Hier war uns ein Aufenthalt von
einer Stunde beschieden. Im Museum erfährt man viel über
die Malaiische Kultur, Riten, Gebräuche, über das Schattenspiel,
welches von der Türkei über Indien, China, Indonesien
und Malaysia eine weite Verbreitung, jedoch viele signifikante
Unterschiede aufweist. Weiterhin bietet das Museum eine Tierabteilung,
sowie einige Ausstellungen von Waffen und chinesischem Porzellan,
welches sich bis nach Malaysia verbreitet hat. In der Tat haben
mich aber die verschiedenen Schattenspiel-Puppen am meisten fasziniert.
Die bei uns Zuhause herumhängende konnte ich schnell als
indonesische identifizieren, denn wie ich bereits bemerkte, sind
die Unterschiede des Spiels in den einzelnen Kulturen doch sehr
ausgeprägt. Bald war die Zeit im Museum um, und man wartete
am Museumsausgang - inzwischen regnete es Katzen und Hunde! -
auf den Bus, der nicht kam und nicht kam... Nun ja, freilich
kam er zu guter Letzt doch noch, und ich freute mich schon darauf,
in zwanzig Minuten wieder Zuhause zu sein. Denkste! Ich hatte
den Berufsverkehr total unterschätzt, und so kam es, daß
wir vom Museum bis zum Hotel im Kriechgang vorwärtskommen
mußten, und gut anderthalb Stunden benötigten für
eine Strecke, welche normalerweise in zwanzig Minuten zurückzulegen
wäre. Die Tourgäste wurden von zwei Indern, die auch
dabei waren, mit Studentenfutter versorgt, und der tour guide
zog seine Zeitung heraus, erzählte von dem crazy guy
who tried to climb up twin towers and was caught by police on
the 62nd store und las den entsprechenden Artikel
laut vor.
Um halb sieben endlich etwas durchnäßt
im Hotel angelangt, legte ich mich erst einmal quer aufs Bett,
um die Eindrücke sich setzen zu lassen und etwas auszuruhen.
Keinen großen Hunger verspürend, gingen wir abends
ins Hilton, um dort noch etwas zu trinken. Im Gegensatz
zum Concorde war das wenigstens ein Hotel mit Stil! Ich
war richtig traurig, daß wir nicht dort gebucht hatten,
da es mir um einiges besser gefiel als in unserem Haus.
Während wir am Pool saßen und
die kühlen Getränke genossen, führte eine Tanztruppe
direct from South Africa entsprechende Tänze auf.
Schon komisch, in einer so ganz anderen Ecke der Welt ausgerechnet
auf südafrikanische Musik zu treffen, dachte ich mir (wir
lebten vor einigen Jahren ein Vierteljahr dort, und so fiel schon
auf, daß die Truppe vielleicht doch gar nicht so direkt
aus Südafrika kam, aber sie machten ihre Sache schon ganz
gut...). Am nächsten Tag sollte es weiter nach Malacca
gehen. Man konnte nur hoffen, daß die zweistündige
Fahrt dorthin ohne Stau und klimatisiert möglich sein würde.
Beruhigt konnte ich also schlafen gehen. Wenn ich geahnt hätte,
welche Überraschungen der nächste Tag bieten würde,
hätte ich vielleicht nicht so ruhig geschlafen...
3 Malacca und der Regen
Samstag morgen, 09.15. Vor der Abfahrt nach
Malacca ein kurzes Frühstück zu sich zu nehmen, fällt
gar nicht so leicht, denn schließlich ist es dafür
eigentlich schon zu spät - bei der zweistündigen Fahrt
sollte man sehen, wenigstens gegen elf Uhr dort zu sein. Immerhin
sind es "nur" zwei Stunden, da wir die gut ausgebaute
Autobahn nehmen. Diese zumeist vier- oder sechsspurigen Straßen,
welche sich in Nord-Süd-Richtung durch Malaysia ziehen, werden
von privaten Unternehmen betrieben und sind daher mautpflichtig,
ganz wie in Frankreich. Allerdings gibts hier keine trotzdem
guten routes nationales, so daß man wohl oder übel
den Wegezoll entrichten muß. Allerdings sind so etwa 4 Ringgit
ein wirklich erträglicher Betrag. Nach anderthalb Stunden
Autobahn geht's dann weiter zunächst über breite, dann
schmale Teerstraßen, bis man über eine wiederum breite
Piste Malacca erreicht. Das soll kein falsches Bild vermitteln:
Malacca liegt also nicht irgendwo in der Wildnis; vielmehr ist
es eine schön am Meer gelegene alte Stadt, von welcher es
sich, so man nach Indonesien schwimmen will, anbietet zu starten:
Hier ist die Straße von Malacca am engsten.
Die Stadteinfahrt wird gesäumt von
großen chinesischen und auch einem malayischen Friedhof.
Zunächst fahren wir am größten chinesischen Friedhof
außerhalb Chinas vorbei. Die Grabmäler bestehen aus
elliptischen Steinformationen, die am ehesten mit der Form eines
griechischen Omegas verglichen werden können. Sie sind vom
Ausmaß und ihrer Anlage noch am ehesten mit den hier in
Europa üblichen Grabmälern vergleichbar, wenn man sie
sich ohne Grabstein vorstellt. Einige hundert Meter weiter geht's
dann an einem malayischen Friedhof vorbei: Die malaiischen Grabsteine
eher wie Urnen an. Das sehr hügelige Gelände des Friedhofs
sieht aus, als würden viele kleine Zwerge oder Lemuren darauf
stehen - diese urnenförmigen Grabsteine eben. Allerdings
werden die Leichen nicht verbrannt! Während die Männer
hier in etwa fünf Fuß Tiefe vergraben werden, liegen
die Frauen in ungefähr Fuß Tiefe. Der Glaube besagt,
daß Frauen während ihrem Leben halt mehr Schuld auf
sich laden, weswegen sie auch tiefer vergraben werden. Jedenfalls
wäre es sicherlich interessant, ob andere islamische Friedhöfe
ähnlich aussehen wie dieser malaiische hier in Malacca. Im
Zentrum Malaccas fällt einem sofort die holländische
Architektur mit einem red square auf, wo sich ausschließlich
rote, holländische Häuser befinden. Hier landeten einst
die Holländer, was roter Platz, Stadthuis und eine kleine
Windmühle heute noch bezeugen. Neben einer Kirche findet
sich auf dem Platz allerdings auch der Victoria Fountain,
welcher wiederum auf englische Besiedlung hindeutet. Von hier
aus bietet sich ein Spaziergang die street of harmony hinunter
an. Diesen Namen besitzt die Straße, weil sie Tempel und
Kirchen vieler Religionen direkt nebeneinander beheimatet: Buddhisten,
Hinduisten, islamische und christliche Gläubige beten und
leben hier friedlich nebeneinander. Außerdem gibt es zahlreiche
alte Gebäude mit vor allem chinesischen Geschäften.
Der prächtige chinesische dort Tempel lädt zur Besichtigung
ein: Ein großes Gebäude, zentral im Tempelgelände
gelegen, mit prächtigem Pagodendach beherbergt die Altäre,
an denen die Gläubigen beten. Beim Betreten nötigt eine
hohe Stufe sowohl Gläubige als auch Nichtgläubige, sich
vor den Altären zu verneigen; eine geschickt erdachte Einrichtung.
Drinnen wird mit Räucherstäbchen und einer Art Losstäbchen
das eigene Schicksal beschworen: Man schüttelt so lange eine
Box mit vielen dieser Stäbchen, bis eines herausfällt.
Auf diesem steht dann das Schicksal geschrieben - So in etwa,
ganz habe ich jedenfalls nicht kapiert, wie es funktioniert. Was
ist zum Beispiel, wenn man so heftig rüttelt, daß gleich
mehrere Stäbe herauspurzeln? Aber dafür gibt es sicherlich
Regeln... Hinter dem Hauptgebäude stehen in großen
"Auslagen" viele Minigrabsteine in Rot und Gold. Die
Verwandten der Verstorbenen bringen hier vor allem am Wochenende
die Lieblingsspeisen und -nahrungsmittel der von ihnen gegangenen
hin, lassen sie dann oftmals sechs oder mehr Stunden stehen, holen
sie danach allerdings zum Verzehr wieder ab. So kann man hier
von verschiedenen Gemüsen bis zu ganzen Gänsen und Enten
alle möglichen Speisen bewundern. Weiter führt die street
of harmony an unzähligen Geschäften vorbei, welche
absolute Luxusgüter feilbieten: Autos, Schecks, Kreditkarten;
Häuser aller Größe; Vom Kühlschrank bis zum
Herd alle Kücheneinrichtungen; Schuhe, Rasierer, Badewanne,
Stereoanlage; Geldscheine, Goldbarren... kurzerhand: alles,
einfach alles was einem im Leben so gefallen könnte. Und
alles nicht einmal besonders teuer, denn all diese Gegenstände
sind aus Pappkarton! Man fragt sich schon, welche Bedeutung das
hat. Aber die Antwort ist mehr als einfach: Wenn ein Chinese stirbt,
so möchten seine Verwandten ihm allen Luxus nach dem Tode
gönnen, den er im Leben hatte, oder sich immer wünschte.
Also geht man einfach her, und kauft ihm hier die Dinge, die er
gerne hat. Diese werden dann zusammen mit der Leiche eingeäschert.
Besonders lustig sind die Banknoten, welche die Hell Bank
herausgibt, oder Flugtickets to hell; Auch Firmenanteile
aller in hell angesiedelten Betriebe sind selbstverständlich
erhältlich...
Nach einem ausgiebigen chinesischen Mittagessen,
bei dem ich mich von der Handhabbarkeit der Eßstäbchen
überzeugen konnte (Besteck gab es nämlich keines), ging
es zunächst weiter zum portugiesischen Teil Malaccas. Hier
gibt's noch portugiesische Restaurants, und eine Bevölkerungsgruppe,
die einzigartig auf der Welt ist, ihre eigene Sprache spricht
und von den Portugiesen, die damals hier gelandet sind, abstammt.
Die Häuser sind direkt am Strand gelegen, und die bunten
Fischerboote wirken sehr idyllisch. Nach diesem kurzen Abstecher
geht es noch weiter an die Stelle, an der 1957 die Unabhängigkeit
erklärt wurde. Neben einen großen Paradeplatz steht
auf einer Anhöhe die Ruine der St. Pauls Kirche, die als
Überrest die ehemals portugiesische Vorherrschaft hier dokumentiert.
Den Hügel gerade erklommen, klingen einem heimische Melodien
entgegen: Hier spielt ein einheimischer Gitarrist dezent lemon
tree in dem großen Kirchenschiff, dessen Dach eingestürzt
ist, und durch eines dessen Fenster man unten an der Küste
die Replik eines portugiesischen Schiffes erblickt. Am Fuße
des St. Paulshügels, neben dem Unabhängigkeitsplatz,
befindet sich ein kleines Museum, das die lange Geschichte der
emergencies und der Unabhängigkeit dokumentiert. Wie
in allen geschichtsträchtigen Gebäuden in Malaysia muß
man auch hier, um Respekt zu zollen, die Schuhe ausziehen, will
man das Museum betreten. Nach einer kurzen Besichtigung war die
Zeit in Malacca auch schon aufgebraucht, denn immerhin lagen ja
noch zwei Stunden Rückfahrt vor uns - ohne Staus! Nun, man
muß sagen, daß diese Rückfahrt auch ohne größere
Komplikationen ablief, mal vom nachmittäglichen Regen abgesehen.
Dieser allerdings war teilweise so stark, daß man kaum fünfzig
Meter vorwärts sah, und die übrigen Autos sogar die
Warnblinkanlagen anschalteten, um in dem Regen auf sich aufmerksam
zu machen. Trotzdem war es möglich, um etwa sechs Uhr abends
wieder heil im Hotel anzukommen. Der Regen indes hatte nicht aufgehört,
und es wurde immer schlimmer. Während ich einige Postkarten
schrieb, schaute ich immer mal wieder zum Fenster hinaus: Nach
der dritten Karte jedoch war praktisch nichts mehr zu sehen, draußen
fand ich eine wahre Regenwand vor, die mir jegliche Aussicht verwehrte.
Es war einfach grau. Der Regen war so dicht geworden, daß
man nichts mehr sehen konnte. Dieser Zustand dauerte etwa zwanzig
Minuten an. Als erstes Durchblicken des grauen Schleiers wieder
möglich war, schien draußen alles "normal"
zu sein. Aber dann zuckte ich doch ganz gewaltig zusammen. Unten
auf der Straße konnte man zwar noch Autos erkennen, welche
aber bis zu den Scheinwerfern unter Wasser standen. So etwas hatte
ich noch nie gesehen! Schnell befestigte ich den Telekonverter
auf der Kamera, um mir diesen Anblick ein wenig näher ans
Auge zu holen immerhin war ich hier ja im neunten Stock. Und
in der Tat, man konnte beobachten, wie das Auto förmlich
im Wasser versank. Auf gut Glück machte ich von dieser obskuren
Szene noch ein Foto. Glück deshalb, weil es schon langsam
dunkel wurde und das Licht draußen schon recht schummrig
war.
Dann ging zu allem Überfluß auch
noch das Licht im Hotel aus. Somit erleuchtete nur noch eine spärliche
Notbeleuchtung das Zimmer. Vielleicht wäre es besser, nun
doch in die Hotelhalle hinunterzugehen? Gesagt, getan, und schon
gings die Kamera dabei die neun Stockwerke hinunter. Unten
herrschte reges Treiben! Die Menschen liefen aufgeregt in der
kaum noch erleuchteten Halle umher, wie immer fleißig telefonierend.
Sollte das ein Anzeichen dafür sein, daß die Lage doch
nicht so ernst war?! Nachfragen an der Rezeption - die Hotelangestellten
waren schon ganz schön genervt - brachten dann die Lage zu
Tage: Der Keller sei überflutet; dort befänden sich
auch Stromversorgung und Notstromaggregat, welches nicht mehr
funktionierte; man wisse nicht, wie lange die Situation so andauern
würde, und so weiter. Und in der Tat, der Treppenaufgang
abwärts Richtung Keller und Tiefgarage war bis circa einen
Meter unterhalb der Lobbyebene durch eine schlammige, dreckige
Brühe überschwemmt. Die Hotelgäste schauten interessiert
daran, wie sich der Pegel wohl verändere (und er stieg!)
hinunter. Einer der Umherstehenden erläuterte, daß
sein Wagen da unten nun wohl ein Versicherungsfall wäre.
Nach einer halben Stunde in der Bar, die zwar nichts mehr ausschenken
konnte, dafür wurde aber fleißig Knabberzeug verteilt,
entschloß ich mich, einfach im dunklen Hotelrestaurant essen
zu gehen. Hier gab's ein reichliches mit Kerzenlicht beschienenes
Buffet, und die vielen nunmehr durch den Stromausfall arbeitslos
gewordenen Köche erläuterten den Gästen detailliert
die verschiedenen Gerichte. Es waren etwa halb soviel Gäste
wie Köche am Buffet zugange... Während des Speisens
kam dann noch mein Vater hinzu, der für seinen Heimweg aus
dem Büro statt zehn Minuten drei Stunden brauchte (Taxis
sind während des Regens Mangelware und die Fahrtpreise richten
sich nach der Nachfrage!), mit der Mitteilung, daß Essen
und Trinken heute abend umsonst wären, genau wie die Übernachtung.
Also nochmal eine Runde ums Buffet. In der fast völligen
Dunkelheit war das Speisen schon ein Erlebnis: Man bekam auch
mit, wie die Feuerwehr anrückte, um Anstalten zu unternehmen,
den Keller auszupumpen. Da das Hotel allerdings eher "unten"
an der Jalan Sultan Ismail lag, floß natürlich ständig
Wasser nach, und draußen regnete es nach wie vor so stark,
daß man binnen weniger Sekunden pitschnaß geworden
wäre. Auf der Straße herrschte Dauerstau, und man konnte
nur neidisch auf die umliegenden Gebäude blicken, die offensichtlich
befriedigend mit Strom versorgt wurden. Kein Strom heißt
ja auch keine Klimaanlage, das sollten wir nicht vergessen, und
so erzeugte das seelenruhige Essen, die vielen aufgeregten Gäste
und Angestellten in der Halle, das Piepsen der Handies, die schwüle
Atmosphäre, das Geschehen draußen auf der Straße,
all das eine ganz einzigartige Atmospähre, und man konnte
nur gespannt sein, wie die Lage sich weiter entwickeln würde.
Ich konnte mich gar nicht entschließen, nun einfach hinaufzugehen
und zu schlafen, es war alles viel zu aufregend. Und außerdem
lagen ja noch neun Stockwerke vor mir und meinem vollen Magen!
Um elf, halb zwölf, nach noch einigen
Drinks aufs Haus machte ich mich dann doch auf den Weg nach oben.
Hausangestellte verteilten Mineralwasser und Kerzen. Wenn da mal
nur nichts geschieht, dachte ich mir. Ein riesiges Hotel, an dessen
Gäste man Kerzen verteilt... Konnte man da die Brandgefahr
nicht schon riechen? Mit einem wahrlich unguten Gefühl ging
ich schlafen; die Hitze im Zimmer hatte bereits merklich zugenommen
dank der ausgefallenen Klimaanlage. Kerze hatte ich keine mitgenommen,
denn das Licht, welches von den umherstehenden Hochhäusern
durchs Fenster fiel, reichte einigermaßen aus. Der morgige
Tag sollte chaotisch werden, soviel war klar.