4 The Day After
Was für eine Nacht...! Die feuchte,
warme Luft, noch dazu abgestanden, macht relativ schnell klar,
daß der Stromausfall und der Regen kein Traum waren. Zwar
ist's draußen noch dämmrig, und die Uhr zeigt grade
mal halb sieben, aber einschlafen kann ich nicht mehr. Wenigstens
scheint es ein schöner Tag mit blauem, wolkenlosen Himmel
zu werden. Das gestern noch untergehende Auto steht immer noch
da, aber das Wasser ist weg. Schlammspuren deuten den Verlauf
des Wasserstroms noch präzise an. Das erste, was man nach
solch einem Abend und solch einer Nacht tun sollte, ist duschen.
Aber schon, als ich beim Betreten des Bades feststellen muß,
daß das Licht immer noch nicht wieder geht, ahne ich, daß
das Abenteuer noch weitergehen wird. Nun, im dunkeln duschen möchte
ich nicht, und ich freue mich, daß ich gestern abend noch
vor dem Stromausfall Zeit dazu fand; so ist's noch einigermaßen
erträglich und eine ordentliche Wäsche sollte in Anbetracht
der Situation vielleicht reichen. Aber Du ahnst es sicher schon:
Wasser floß auch keines mehr, nicht nur, daß der Strom
weg war, wir lagen auf dem Trockenen. Schnell wurde mir klar,
warum gestern nacht die Wasserflaschen verteilt worden waren.
Also noch geschwind die Zähne geputzt und mit Cola aus der
Minibar nachgespült, und dann ab nach unten und den Stand
der Dinge feststellen! Immerhin war ich ganz froh, daß das
Hotel noch stand und nicht abgebrannt war...
Wie hoch mußte wohl der finanzielle
Schaden des Hotels sein? Vierzehn Stockwerke mal achtzig Zimmer
multipliziert mit 150 Ringgit; dazu sollten wir das Essen von
gestern abend addieren, die Getränke; der Computer der Telefonanlage
hat ja sicherlich auch die Daten verloren; ich wollte lieber gar
nicht weiter rechnen, da kommt bestimmt so einiges zusammen. Und
die Wachsflecke, welche den Teppichboden auf der Etage und im
gesamten Treppenhaus zierten, dürften die Summe noch um einiges
erhöhen! Unten in der Hotelhalle angekommen, stellte sich
im wesentlichen das gleiche Treiben dar wie am Vorabend. Nur bemerkte
man beim Hotelpersonal deutliche Augenringe, und die netten Damen
an der Rezeption hatten die adrette Hoteluniformen gegen T-Shirts
ausgetauscht. Hier konnte man sich auch gleich über den aktuellen
Stand der Dinge informieren: Der Strom, welcher eigentlich gegen
drei Uhr morgens zurückerwartet worden war, würde noch
auf unabsehbare Zeit nicht wieder zur Verfügung stehen. Ebenso
wie das Wasser und die Klimaanlage. Kurzerhand bot man uns an,
ein Zimmer in einem anderen Hotel der Stadt zu buchen. Kurz per
Handy nachgefragt (die Hotelleitung konnte heilfroh sein, daß
die meisten Angestellten privat solche Mobiltelefone besaßen,
dachte ich bei mir), stellte sich heraus, daß im Hilton
wohl noch Buchungen möglich wären - was für ein
Zufall! Somit schienen wir doch noch dorthin zu kommen. Und vor
allem zum Zimmerpreis des Concordes, welches das neue Zimmer ja
vermitteln würde. Aber es kam noch dicker: Die Rechnung für
die zwei Übernachtungen vor dem gestrigen Stromausfall belief
sich ausschließlich auf die Zimmerpreise, da der Telefoncomputer
ausgefallen war, ebenso wie alle Rechnungen aus Restaurant und
Minibar ausschließlich im Computer vorhanden gewesen wären.
So hatte auch der Hotelangestellte kein Problem beim Zusammenrechnen
der Einzelposten, und das Bezahlen per Kreditkarte ging mit einem
erstaunlicherweise noch vorhandenen Ritschratsch-Gerät zum
Durchdrücken der Kartennummer recht reibunglos vonstatten.
Nun gab es nur noch ein Problem: Die 30 Kilo Gepäck, welche
sich noch im neunten Stock befanden. Immerhin ging ja kein einziger
Aufzug mehr, und die sonst so hilfsbereiten porters weigerten
sich strikt, auch nur eine Hand zu rühren. Was also tun?
Die leichteren Gepäckstücke wie Rucksack, Computertasche,
den Kleidersack herunter zu befördern, war, abgesehen vom
Erklimmen des neunten Stockwerks, bewältigbar. Deshalb holte
ich auch diese Fuhre lieber mal selbst herunter. Aber die schweren
Koffer erschienen mir jetzt doch etwas zuviel verlangt. Schließlich
fand sich doch endlich - nachdem ich eine Weile auf drei herumstehende
und sich anläßlich des Chaoses redlich amüsierende
Portiers eingeredet hatte, einer davon bereit, den Gang nach oben
zu unternehmen. Nach einiger Zeit hatten wir schlußendlich
alles Gepäck und uns selbst in der Lobby versammelt, und
waren froh, ein Taxi Richtung Hilton nehmen zu können. Der
Taxifahrer war recht schlau und hatte auch sofort mitbekommen,
was im Concorde letzte Nacht los war. Auf heftige Klagen über
das Concorde und weil er ja wußte, daß wir nun ins
Hilton wollten, kam auch prompt: "Yes, all the people who
want to go to Concorde I tell: Concorde no good hotel, better
go to Hilton." Man muß ihm schon zugute halten, daß
er sich sehr schnell auf sein Publikum einstellen konnte.
Nun war das Hilton ja wirklich nicht weit
von unserem überfluteten Ex-Domizil entfernt, und so befanden
wir uns kaum fünf Minuten später vor der wirklich imposanten
Lobby des KL Hilton. Wenn ich das mal so sagen darf: Es war doch
eine ganz andere Welt. Man wußte über unsere Ankunft
bescheid, und wir konnten gleich auf dem Executive Floor im 21.
Stock einchecken. Hier oben gab es zu meinem großen Erstaunen
einen extra Frühstücks- und Aufenthaltsraum mit herrlicher
Aussicht, der den Bewohnern der Räume des 21. bis 25. Stockwerks
vorbehalten war. Obschon dies sicherlich eine Annehmlichkeit war,
war es richtig schade, daß man so nicht in der großzügig
gestalteten Lobby unten frühstücken konnte, sondern
so abgeschirmt wie hier oben. Das muß man sich einmal vorstellen:
Im Concorde gab es in der Lobby nicht mal eine Sitzecke, wo man
einige ruhige Minuten lesen oder entspannen konnte. Hier hatte
ich nun die Möglichkeit, diese ruhigen Augenblicke hier oben
mit überragender Aussicht über die Stadt und die Twin
Towers zu genießen, oder ich konnte mich entscheiden, in
einer Sitzecke im 4th Floor mit Überblick über die Lobby
ein wenig Zeit zu verbringen. Oder aber in der Empfangshalle unten
mich hinzusetzen und den Geschäftsleuten bei meetings
und Gesprächen zuzusehen. Kein Zweifel, es war ein großartiges
Hotel, welches mir unglaublich gut gefiel. Im 21st kannten sie
meinen Vater sogar noch - er war zum letzen mal glaube ich 1993
dort - und das Personal war äußerst freundlich, immerzu
zu lockeren Sprüchen und guten Gesprächen aufgelegt.
Ich war in einem Hotel gelandet, wo ich mich rundweg wohlfühlte.
Frisch geduscht kam es mir nach kurzer Zeit
so vor, als wäre ich niemals im Concorde gewesen. Es war
halb elf Uhr morgens, und ich hatte bereits soviel erlebt, daß
es mich nicht gewundert hätte, wäre es schon ebenso
spät abends gewesen. Aber der Tag lag noch vor mir. Natürlich
mußte ich überlegen, was mit so einem halben Tag noch
anzufangen wäre. Nach kurzem Nachdenken erschien es mir das
beste, den Chinese Market im Herzen KLs einer genaueren Inspektion
zu unterziehen, da hierfür ein halber Tag bestimmt nicht
zu knapp bemessen sein durfte. Also ab in eines der Taxis, welche
vor dem Hotel, freilich nicht in Sichtweite dessen, der die Lobby
verläßt, warten. Zeigt man die Absicht, ein Taxi nehmen
zu wollen, so winkt ein Page geschwind, und der Wagen huscht die
palmengesäumte Auffahrt hinauf, der Page hält Dir die
Tür auf, und Du steigst ein. (Jetzt sollte ich aber wieder
aufhören mit der Hilton-Schwärmerei!)
Nach einer etwa viertelstündigen Fahrt
durch die Stadt, bei der man immer tiefer in Gassen gesäumt
mit alten, über und über mit chinesischen Schriftzeichen
bedeckten, bunten Gebäuden eintaucht, war das Taxi schließlich
inmitten von chinatown angelangt. Nach Zahlen des wirklich günstigen
Fahrpreises von nicht mehr als 4 Ringgit hieß es, sich ins
Getümmel von Geschäften, Märkten, Ständen
und Menschen zu stürzen. Hier in Malaysia kann man die enorme
Geschäftigkeit und Geschäftstüchtigkeit der Chinesen,
wie auch überall sonst auf der Welt in den chinesischen Kommunen,
ganz deutlich spüren. Den Chinesen verdankt Malaysia damit
fast die Hälfte seines Territoriums. Wie das? Nun, zu Zeiten
der Unabhängigkeitserklärung Malaysias stellte sich
heraus, daß die Chinesen so stark an der Bevölkerung
beteiligt waren, daß sie eine Mehrheit in der Volksvertretung
beanspruchen konnten, was selbstverständlich den Malayen,
welche sich grade ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten,
nicht sonderlich gefiel. Gleichzeitig muß man allerdings
sehen, wie die Arbeitseinstellungen von Malayen und Chinesen waren:
Die Chinesen, die harte Arbeiter waren, und so Wohlstand und Reichtum
mühsam erlangt hatten, verlangten ja zu Recht nach entsprechender
Vertretung in den staatlichen Organen. Die Malayen hingegen, stolz
ob ihres Landes, aber im Vergleich zu den Chinesen stinkfaul,
wollten ihr Land selber regieren! Was sollte man also tun? Man
fand eine für alle annehmbare Lösung: Neben den Gebieten
entlang der Straße von Malacca auf der malayischen Halbinsel
erhielt das neu zu gründende Land auch Territorien auf Borneo.
Dadurch waren die Chinesen im Lande nicht mehr in der Mehrheit,
konnten aber so trotzdem an der Regierung beteiligt werden, ohne
daß zu befürchten gewesen wäre, daß Malaysia
de facto chinesisch wird. Daß alles doch nicht so rosig
war, würde bald die Sezession Singapurs zeigen.
Die Chinesische Kommune zeigt ihr ausgeprägtes
Gesicht hier in chinatown. Neben einem langgestreckten
Straßenmarkt, zwischen alten Gebäuden, Hochhäusern,
McDonald's und einigen größeren Geschäften findet
man hier auch eine große Halle, wohl am besten vorstellbar,
wenn man sich eine Mischung zwischen Markthalle und Kaufhaus denkt.
Praktisch heißt das, daß in ihr viele kleine Stände
und Geschäfte untergebracht sind. Auf insgesamt drei Stockwerken
werden hier mannigfaltigste Güter, wie Schuhe, Mode, CDs
und Cassetten (keine Sorge, Raubkopien!), Fotoequipment, T-Shirts,
aber auch traditionelle Waren und Lebensmittel angeboten. Eine
wahrlich bunte Mischung. Man muß sich schon viel Zeit nehmen,
will man einen Überblick erhalten und nichts auslassen. Vor
den feilgebotenen Eßwaren hatte ich noch einen ordentlichen
Respekt, aber den übrigen Ständen erlag meine Neugier
restlos. Nach ausgiebigen Schlendern durch die Halle, welche den
unaufwägbaren Vorteil einer Klimaanlage bot, wollte ich mich
langsam auf den Weg machen, dem Straßenmarkt einen Besuch
abzustatten. Auf dem Weg nach draußen kam mir ein Chinese
oder Malaye - ich weiß es heute nicht mehr genau - im guten
schwarzweißen Newcastle-Shirt entgegen. Bei mir dachte ich
noch: 'Wenn es hier schon so viel gibt, womöglich auch Tim-und-Struppi-T-Shirts,
warum dann nicht auch solche?' Aber T-Shirt-Stände hatte
ich bisher noch keine erspäht, und so glaubte ich meine Chancen
doch nur relativ gering einschätzen zu dürfen.
Kaum hatte ich die Halle verlassen, schlug
mir unweigerlich die Hitze entgegen, an welche sich zu gewöhnen
gar nicht zu leicht war. Allerdings lernt man mit der Zeit, sich
so zu bewegen, daß man nicht schon nach zehn Minuten total
verschwitzt ist. Klimatisch gesehen freute ich mich schon auf
Hongkong, da ich hoffte, dort wäre es ein wenig erträglicher.
Überhaupt schaute ich mir den jetzt vor mir liegenden Markt
recht genau an, da es sicherlich interessant sein dürfte,
diesen chinesischen Markt mit denen in Hongkong zu vergleichen.
Ob es dort auch so geschäftig zugehen würde wie hier?
Die ersten Stände, welche der Markthalle am nächsten
lagen, boten hauptsächlich die in Asien wohlbekannten copywatches
an: Rolex, Cartier, (mehr fällt mir nicht ein, aber alle
gängingen Uhrenmarken könnten die Liste fortsetzen)
findest Du hier "saubillig", wie die Verkäufer
Dir zurufen, während sie mit dicken goldenen und silbernen
Uhren wedeln. Einer der Chinesen erklärte mir sogar, seine
Uhren seinen nicht "saubillig, because saubillig means they're
crap. These watches are seeehr billig. Sehr sehr billig"
und sein Vetter wohne auch in Deutschland und und und. Jedenfalls
lassen die Verkäufer Dich nicht mehr so schnell gehen, wenn
Du erst einmal ein Gespräch angefangen hast. Aber mir gefiel
ehrlich gesagt keine der Uhren so richtig. Alle waren sie eher
protzig und dick auftragend, und außerdem habe ich ja wahrlich
genug davon. Aber ein Erlebnis sind die vielen copywatch-Händler
allemal. Einer erklärte mir noch: "you know, it's illegal"
Ganz schön ehrlich...
5 Qantas welcomes you aboard
23.4.97, Mittwoch morgen,
acht Uhr nach ostaustralischer Zeit (AEST, "Australian East
Standard Time"). Seit
dreißig Minuten befindet sich die Boeing 747-438 der Qantas
in der Luft.
Das heißt vor allen
Dingen, dass bis zur Zwischenlandung in Singapur erst mal elf
Stunden vergehen werden, bevor ich dann nochmals acht Stunden
später australischen Boden betreten können werde. Immerhin
- und darauf freue ich mich schon! - werde ich in Singapur ganz
lässig sagen können: "Na, hier
war ich aber schon mal! Sollte maximal vier Wochen her sein."
Momentan riecht es ganz
angenehm nach Essen, und ich muß zugeben, Appetit habe ich
schon ein bißchen. Allerdings ist es schon etwas seltsam,
jetzt, es ist grade Mitternacht durch nach unserer Zeit, und wir
befinden uns wohl grade über Nürnberg, ein Frühstück
serviert zu bekommen. Vielleicht sollte ich die Flugzeit ausnutzen,
um noch etwas an einer neuen Malaysia-Episode zu basteln. Schließlich
möchte ich nicht, dass gerade Singapur und Hongkong unter
den neuen, australischen Eindrücken untergehen - Vielleicht
für Dich der interessanteste Teil dessen, was Dich per Mail
aus München, oder vielleicht bald mal aus Sydney, erreicht?
Wir werden sehen, wie weit ich komme.
Moment... es gibt Frühstück... später mehr!
So, kurz nach Budapest
ist das Essen abgeräumt und ich habe wieder ein wenig Zeit
zum Tippen. Sind ja auch nur noch zehn Stunden, bis ich wieder
über vertrautem Territorium - Malaysia - sein werde.
Indem ich jetzt meine Konzentrationsfähigkeit
wieder auf die harte Probe des Lärms der Triebwerke und der
laut dröhnenden Klimaanlage stelle, kehren wir mal auf den
chinese market
in KL zurückkehren.
Schließlich kam ich über den Markt schlendernd auch
an einen Stand, welcher einige verschiede Fussball-T-Shirts feilbot:
Tottenham Hotspurs, Olympic Marsaille, Dortmund und KSC, alles
war vorhanden. Sollte da nicht auch...? Ich begann, die angebotene
Ware einer genaueren Inspektion zu unterziehen. Nach einigem Stöbern
kam es endlich zutage: zuerst sah ich nur die black ale-Aufschrift,
dann kam aber bald das ganze Newcastle-T-Shirt zum Vorschein,
zwar in blau, von dem ich annahm, dass es ein älteres Design
war, aber mir gefiel diese Farbe auch ganz gut. Eine schwarzweiße
Ausführung, wie ich sie ja vorher am lebenden Objekt gesehen
hatte, war nicht zu finden, und so dachte ich mir, der Spatz in
der Hand ist ja bekanntlich besser als die Taube auf dem Dach:
Also wollte ich flugs dran gehen, das Eigentum an dem guten Stück
zu erwerben, was unweigerlich nur eines bedeuten konnte: jetzt
hieß es handeln!
Zurück in der Gegenwart:
Die Nacht im Flugzeug hätte ich einigermaßen passabel
hinter mich gebracht. Mittlerweile ist's viertel nach zwei nach
Singapore Zeit und wir befinden uns auch nicht mehr über
Budapest, sondern haben Bombay sowie den indischen Subkontinet
gerade hinter uns gelassen. Von Singapur trennen uns noch dreieinhalb
Flugstunden.
Mir kommt's fast vor, als
Würde ich einen Ball jetzt zum zweiten Mal werfen, nachdem
er beim ersten Wurf nicht weit genug flog... Malaysia war wohl
nicht weit genug? Bald werde ich entscheiden können, wo es
mir besser gefällt... wie so oft läßt sich
auch hier nur bemerken: wir werden sehen. Jedenfalls habe ich
diesmal ein Stativ dabei, nachdem ich in Hongkong für ein
paar gute Nachtaufnahmen ganz schon buckeln mußte.
Bevor ich jetzt wieder
mal vom Essen unterbrochen werde, versuche ich, meine derzeitige
morgendliche Frische in ein paar mehr kreative Zeilen umzusetzen.
Ein Meister des Handelns bin
ich ja nicht unbedingt, na ja, was soll ich schon groß ausrichten
gegen solche Füchse wie die Chinesen hier auf dem Markt?
dachte ich. Aber die Philosophie des Handelns hat offensichtlich
einen anderen Charakter, als ich mir das vorgestellt hatte: man
betreibt das Feilschen um den final price hier nicht in feindlichem
Ansinnen dem Verkäufer gegenüber, nein, es ist schlichtweg
üblich und gehört zum Kaufen wie die Übergabe des
Geldes oder der Ware. Somit machte es auch richtig Spaß,
und nachdem die Verkäuferin und ich uns nach zähem Ringen
um jeden Ringgit schließlich geeinigt hatten, hatten wir
beide ein Lächeln auf den Lippen, wobei sie immerzu betonte,
"you're a jerk, mister!" Ich war froh, weil ich
mich nach meiner Einschätzung leidlich gut geschlagen hatte,
sie womöglich, weil sie immer noch einen guten Schnitt machen
würde. So waren wir beide zufrieden, und das war schließlich
okay.
Während ich die weiteren
Stände außerhalb der Halle abklapperte - etwa ein Drittel
davon boten mehr oder weniger lauthals Copywatches an - erwarb
ich, mein können im Handeln stetig ausbauend, noch zwei weitere
T-Shirts. Mit soviel Übung sollte ich für Hongkong wahrlich
gerüstet sein!
Vom chinese market war
es nicht weit zur alten Moschee, welche hinter dem Regierungsgebäude
am Zusammenfluß der beiden Flüsse liegt, welcher Kuala
Lumpur seinen Namen verdankt - "Schlammige Flußmündung".
Ich stellte mir beiläufig vor, bei uns in Deutschland hieße
eine Stadt so. Der Weg verlief entlang des Flusses auf die Moschee
zu. Den Eindruck der alten Moscheegebäude und der sie im
Hintergrund umsäumenden Hochhäuser konnte für einen
kurzen Moment eine Rohrleitung schlagen, die in circa drei Meter
Höhe den Fluß überquerte, also auch über
dem Niveau der Straße, auf der ich mich befand. Warum? Nun,
an der Rohrleitung hatte sich verschiedenster Müll und Dreck
verfangen, und erst bei diesem Anblick wurde mir klar, wie stark
es gestern abend wirklich geregnet haben mußte! Erst jetzt
bemerkte ich auch den Sand, der sich am Bordstein und an den Reifen
der hier geparkten Autos angelagert hatte. Irgendwie hatte ich
den Niederschlag der letzten Nacht trotz der Ereignisse ganz schone
unterschätzt. Mit der Moschee hatte ich dann aber leider
Pech. Nachdem dort gerade Gebete stattfanden, war der Zutritt
für Besucher nicht gestattet. Man vertröstete mich auf
das Ende der Gebete; letztlich mußte ich aber sowieso bald
zurück ins Hilton, weil ich meinen Vater vor dem Geschäftsessen,
welches er abends hatte, nochmals kurz sehen und ihm meine fleißig
erhandelten Neuerwerbungen präsentieren wollte. So konnte
ich gemächlich Richtung Taxistand laufen (die schauen ganz
ähnlich wie bus stops aus), einer Taxe winken und den Fahrer
bitten: "Take me to the Hilton, please!"
6 Yes, indeed: Singapore
again! oder: Out Of KL
23.4.97, 18:10 local
Singpore time.
Dank einer freundlichen Qantas-Besatzung sitze ich jetzt nicht
im Transitbereich des Changi-Airports, sondern erfreue mich für
die kommenden zwei Stunden bis zum Weiterflug der Annehmlichkeiten
der Qantas-Lounge. Hier läßt sich die Wartezeit ganz
angenehm verbringen. Ich habe mir den Portfolio mitgenommen, auf
dem ich grade diese Zeilen tippe, und dazu noch den HP48, weil
da jetzt Tetris drauf läuft. Aber wenn ich so weiter schreibe,
werde ich wohl kaum zum Spielen kommen...
So, jetzt habe ich mich
erst einmal mit ein paar Sandwiches gestärkt. Es sollten
Original-Sandwiches gewesen sein, da die Qantas ihre Lounge mit
British Airways teilt. Singapur hat sich nicht verändert,
zumindest von den Temperaturen her nicht: Draußen ist's
zwar diesig und bedeckt, also nicht so schön wie vor vier
Wochen, aber die Temperatur liegt trotzdem bei 32 Grad. Schade,
dass ich jetzt hier in der Löwenstadt nicht auch über
den Singapuraufenthalt berichten kann. Aber besser der Reihe nach
vorgehen, und da wäre jetzt der Montag dran - die Country-Tour.
Falls zwischendurch mal
was aktuelles anfällt, kann ich ja trotzdem darüber
berichten! Es gibt halt sozusagen zwei Handlungsstränge momentan.
Da fällt mir beispielsweise mein Cockpitaufenthalt vorhin
ein. Ich fragte, ob ich mal kurz hinaufschauen könnte, und
aus dem kurzen Blick wurde eine interessante halbe Stunde, in
der mir die Instrumente erklärt wurden, und ich eine herrliche
Aussicht über Thailand, Phuket, Langkawi und das nördliche
Malaysia hatte. Und den Abschluß dieses Besuches bildete
das Drehendürfen an einem Knopf dort im Cockpit und die Einladung
hier in die Lounch.
Auf dem Weg von der Lounge
zum Weiterflug hab' ich dann aber doch noch ganz schön schwitzen
müssen - nein, nicht vom Gepäckschleppen! In der Lounge
hatte ich mir beim rausgehen noch zwei von den kleinen roten Käsen
("babybel") mitgenommen, weil mir die grade so gut schmeckten
und ich sehr verwundert war, diese hier so weit weg von Europa
vorzufinden (apropos was es nicht alles gibt: In KL gab's Orangina.
Aber das nur so nebenbei). Jedenfalls bekam ich dann aber schon
auf dem Weg zum Gate einen solchen Appetit, daß ich kurzerhand
einen der Käse aus der Brusttasche fischte und zu futtern
begann. Während des letzten Bissens allerdings fiel es mir
dann siedend heiß ein: War da nicht in Singapur essen, trinken
und so weiter in der Öffentlichkeit verboten!? Schweißausbruch,
beim runterschlucken fast verschluckt und ganz schnell so getan,
als wäre nichts gewesen...
Wie schnell einen Unachtsamkeit
hier in Teufels Küche bringen könnte - Dabei hatte ich
beim Aussteigen einen nach Singapur Reisenden sogar noch darauf
hingewiesen, daß es nicht nur strafbar sei, Kaugummi auszuspucken,
wie er meine, vielmehr ist sogar der Import illegal - und das
ist kein Scherz, sondern einfach die Wahrheit.
24.4.97, 00:18 AEST. So weit weg bin
ich ja nun noch nicht von KL, und also sollte es nunmehr auch
nicht allzu schwer fallen, ein wenig vom Montag zu berichten.
Montags mußte mein Vater
wieder mal so früh weg, dass sich mir die Frage ob es vorzuziehen
wäre, mit meinem Vater zu frühstücken oder lieber
auszuschlafen, gar nicht stellte, da ich "erst" um neun
aufwachte - gesegnete Semesterferien. Was konnte man heute unternehmen?
Am Samstag hatte ich in einem Prospekt des Tourunternehmens mit
dem vielversprechenden Namen "ecstacy tours" eine Halbtagestour
um KL herum entdeckt, auf deren Programm auch der Besuch der batu
caves, stand, buddhistischer Gebetshöhlen, die über
mehr als 270 Stufen erreichbar sind. Hier war also Kondition gefragt!
Nun, die batu caves wollte ich auf keinen Fall versäumen,
und so entschloß ich mich, nachmittags einmal diese Tour
zu testen. Zuvor aber verbrachte ich den Vormittag damit, mich
in aller Ruhe den Geschäften im BB Plaza, insbesondere aber
nochmals den beiden Buchhandlungen dort (ja, ich bin Bücherfan,
zugegeben!), zu widmen. Nach zwei Stunden Schmökerns war
ich auch unter anderem stolzer Besitzer einiger guter und sehr
günstiger Mathebücher: Die Autoren eines der Bücher
sind Dozenten an der University of Singapore!
Im Hotel gab's dann wieder
das übliche Prozedere, also das Warten darauf, vom tour
guide abgeholt zu werden. Lustigerweise kannte ich ihn schon:
Ihn hatte ich samstags in Malacca mit einer Gruppe Touris am Unabhängigkeitsplatz
gesehen. Wie auch das andere Tourunternehmen versammelte ecstacy
tours alle an diesem Nachmittag Teilnehmenden erst mal zentral,
allerdings nicht in dem mir bereits bekannten handicraft centre,
sondern in einer Art tourist information. Sonderbare Sache:
In meinen Zubringerbus stieg bei irgendeinem Hotel ein dem Dialekt
nach offenkundig Deutscher mit malaiischer Begleitung weiblich
ein. Das war mir alles andere als angenehm, ich wollte nur hoffen,
dass die beiden eine andere Tour nehmen würden. Als Deutscher
wollte ich mich ihm auch nicht unbedingt zu erkennen geben. Aber
da mein 'th' und wohl auch mein Englisch etwas besser war als
seins, und auch seine Aufmerksamkeit ganz woandes ruhte als auf
mir (nämlich auf seiner Begleitung!), schienen meine Befürchtungen
nicht so akut zu sein. Schließlich sollte sich herausstellen,
dass die beiden auf eine andere Tour gingen. Aber komisch war
es allemal, da der Typ der Malaiin unverhohlen von Frau und Kind
zuhause erzählte...
Nach den üblichen zwanzig
Minuten Aufenthalt im tourist centre wurde man also auf
die Busse verteilt. Zu meiner allergrößten Überraschung
sollte ich in einem kleinen Toyota Platz nehmen, in welchem sich
auch erst drei Amerikanerinnen befanden - 'Mutter mit zwei verwöhnten
Töchtern', war mein erster Eindruck. Schließlich kam
noch ein indisches Ehepaar, und zu allerletzt eine Malaiin mit
eine weiteren Frau hinzu. Damit war der Bus - Fahrer und guide
kamen noch dazu - abfahrbereit. Na, daß wir nicht allzu
viele waren, und der Bus Klimaanlage hatte, das ließ sich
ja ganz gut an.
24.4.97, 03:46 AEST.
Zunächst ging es an der
Villa eines der reichsten Malaiien sowie an mehreren Botschaften
vorbei aus der Stadt hinaus. Stolz präsentierte uns der guide
im Vorbeifahren das Gebäude des neuen Fernsehsenders, welcher
der erste private Satellitenkanal werden sollte. So privat und
unabhängig er allerdings auch sein mochte, genauso zensiert,
wie die anderen Medien im Lande wird er dennoch werden. Allerdings
findet eher eine Art Selbstzensur statt, da sich die führenden
Zeitungen und auch die staatlichen Sender als Moralinstanz und
Wertevermittler verstanden sehen wollen. Freilich darf man gespannt
sein, welche Rolle dieser neue Sender, wenn er Herbst auf Sendung
gehen wird, spielen wird. Zuviel sollte man sich allerdings nicht
versprechen: Aufgrund eben der herrschenden Selbstzensur beschränkt
sich beispielsweise das Unterhaltungsangebot die bisher vorhandenen
Fernsehkanäle auf Hollywoodklassiker und unverfängliche
Soap operas ebenfalls aus amerikanischer Produktion.
Vorbei an den neu entstehenden
Studios ging es in dichten Urwald, bestehend aus Gummibäumen.
Freilich durfte man keine Angst davor haben, von Moskitos gestochen
zu werden, wenn man ein wenig in den Wald hinein wollte. Dort,
an einem den Touristen vorbehaltenen Baum wurde dann das 'rubber
tapping' demonstriert. Wenn man die Rinde des Gummibaumes anritzt,
fließt tatsächlich die bekannte weiße Flüssigkeit
heraus. Damit die Bäume allerdings nicht auf Dauer verletzt
werden, und so vielleicht nur einmal gemolken werden können,
hat man die Technik des tappings erdacht. Das kann man ganz wörtlich
nehmen: Man bohrt ein Loch in die Rinde, und befestigt da hinein
ein Art Wasserhahn. Alle Jahre dreht man dran und kann so den
Gummibaum melken... Erwähnt sei vielleicht noch, dass
man für unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände
aus Gummi im allgemeinen eine sehr große Menge an Rohstoff
benötigt. Wenn ich mich recht erinnere, wird für einen
Autoreifen nicht weniger als eine Tonne Kautschuk gebraucht. Jetzt
aber fix wieder in den Bus, denn eine der Amerkanerinnen beginnt
sich schon heftig am Knie zu kratzen. Mich juckt's allerdings
auch auf der rechten Hand; aber wenigstens blieb's bei nur ein
Stich, unter dem ich "litt".
7 The Batu Cave Experience
Nachdem ich den Flug von
Sydney nach Melbourne wirklich noch bekommen habe, ist auch wieder
etwas Zeit, um den Malaysia-Montag fertigzustellen. Sogar etwas
mehr als geplant, da der Flieger echte Anlaufschwierigkeiten hat:
Während die 767 der Ansett Australia langsam hinausrollt
auf die Runway des Sydney Airports, kommt die übliche Ansage
des Captains mit "sit back and enjoy your flight", den
Temperaturen am Zielort und so weiter (Die Qantas und auch Ansett
haben übrigens die nette Angewohnheit, die Ansagen mit "Ladies
and Gentleman, Boys and Girls" zu beginnen. Hört sich
doch gut an, oder? Dafür gibt's Orangensaft in ganz unpraktischen
Plastikbecherchen eingeschweißt, was die positive Ansage
wieder wettmacht und auf den Hosen und Röcken ungeübter
Europäer häßliche Flecken produziert). Die Stimme
des Piloten kommt mir richtig wie cooler Aussie vor, naja, so
eine typisch rauchige Flugkapitänsstimme halt. Ganz am Ende
des Taxiways angelangt, dreht er die Maschine, und der Start kann
beginnen. Nach völligem Stop gibt der Pilot vollen Schub,
und die Triebwerke heulen auf. Das hält ganze fünf bis
zehn Sekunden an, dann gehen die Triebwerke runter und die Maschine
rollt auf den Flughafen zu. War wohl nix, und ich frage mich schon,
ob man sich vielleicht überlegt hatte, die achthundert Kilometer
nach Melbourne doch zu fahren statt zu fliegen. Abermals kommt
eine Durchsage des schon nicht mehr ganz so cool klingenden Captains,
daß man "technical problems" gehabt habe, welche
aber nun gelöst seien. Der zweite Startversuch klappt dann
auch, allerdings ist einem nicht so ganz gut, wenn man weiß,
daß irgendwelche Problemchen den Start verhindert hatten,
und dann so mir nichts dir nichts wieder verschwunden waren. Wie
auch immer, ich bin ja wieder heil heruntergekommen,
womöglich sogar auf dem normalen Wege ("Runter kommen
sie alle"!?). Jetzt aber mal fix weiter: "Out Of KL"
sind wir ja schon, also los geht's mit Teil zwei:
Weiter führte die tour
zu Royal Selangor, der größten in Malaysia ansässigen
Zinnverarbeitung. Hier werden aus dem in Malaysia am häufigsten
vorkommenden Rohstoff vom Teller über Schachspiel bis hin
zum Designerfüller alle erdenklichen Dinge aus Zinn hergestellt
(Man erwägt übrigens, diesen Füller für genau
888 Ringgit anzubieten, da die 8 eine chinesische Glückszahl
ist (was glaubst Du, für wieviel vor circa einem Jahr in
Hongkong die Autonummer 8888 versteigert worden ist!).
Die Führung durch die Fabrikanlagen und die Herstellung ist
wirklich sehr aufschlußreich. Besonders die noch sehr weitverbreitete
Handarbeit, vor allem die vielen Feinmechaniker, hätte ich
hier nicht erwartet. "Made in Malaysia" setzt man ja
in Deutschland zumeist mit Massenproduktion und Ramschware gleich,
Royal Selangor allerdings hatte hier eines meiner Vorurteile aufgehoben.
Nach der Fabrikation ging es dann weiter in einen sogenannten
showroom, wo man die hergestellten Produkte betrachten
und natürlich auch kaufen konnte. Dieser showroom
hier bei Royal Selangor bot drei attraktive Vorteile: Erstens,
es gab kostenlos kühle Limonenlimonade (natürlich gereicht
in Zinnbechern), zweitens hatte er eine Klimaanlage, und drittens
waren die angebotenen Dinge wirklich sehr schön anzusehen.
Nach zwanzig Minuten hatten wir acht Touris (das Wort paßt
ja sogar im doppelten Sinne!) uns komplett am Ausgang versammelt,
und nachdem man somit deutlich die Abfahrbereitschaft signalisiert
hatte, ging es auch bald weiter zum nächsten Stop, einem
alten traditionellen malaiischen Haus. Zu bemerken ist vielleicht,
daß ich die tour keinesfalls mit den bei uns üblichen
Kaffeefahrten vergleichen will, bei denen das Verhältnis
Präsentation und Tour schon noch ganz anders ausgelegt ist!
Hatten wir das mit dem Schuhe
ausziehen schon einmal? Ja klar, in Malacca. Also jedenfalls galt
es auch hier, die Schuhe draußen zu lassen. Das malaiische
Haus zeichnete auf den ersten Blick aus, dass es auf Stelzen stand.
Der Grund für diese Maßnahme war mir nicht ganz klar,
wir waren ja doch einige Kilometer weg. Allerdings störte
mich im Moment der Besichtigung diese Unklarheit nicht, und zudem
hätte ja eine Überschwemmung, wie ich sie erlebt hatte,
solcherlei Maßnahmen zehn- bis zwanzigmal gerechtfertigt.
Das Haus erwies sich als ungleich geräumiger, als zunächst
erwartet, da es sich nach hinten zog und in einige Zimmer aufgeteilt
war. Aber es mußte natürlich auch groß sein,
da in solch einem Haus eben auch eine Großfamilie lebt,
sprich circa zwei Dutzend Menschen. Etwa ebenso viele besichtigten
gerade das Museumshaus, weshalb man sich einen guten Eindruck
davon machen konnte, wieviel hier normalerweise los ist. Um das
Holzhaus herumlaufende Hühner und Gänse sowie ein Hofhund
machten dessen Eindruck noch authentischer; lediglich das Ausziehen
der Schuhe erinnerte unweigerlich daran, dass man sich in einem
Museum befand.
Am nächsten Stop der
Tour waren solche Ehrfurchtsbekundungen eher fehl am Platze: Es
handelte sich nämlich um eine Textilfabrikation, wo einem
zunächst verschiedene Techniken der Seidenmalerei demonstriert
wurden. Der Aufkleber, welcher einem bei Betreten der Fabrikation
aufgepappt wurde, schien auf eine lang dauernde Führung hinzudeuten,
doch leider ging es nach zehn Minuten Fabrik direkt weiter in
- richtig geraden! - einen showroom. Die weiblichen Mitglieder
der Tour waren in der Tat von der Fülle der angebotenen Textilien
begeistert; ich und der Inder diskutierten noch ein wenig über
verschiedene Fertigungsmethoden; bald jedoch kamen wir darin überein,
dass solche Showroom-Besuche zum notwendigen Übel der Touren
im asiatischen Raum gehörten. Auf die Wette, ob dies der
letzte Showroom für heute wäre oder nicht, ließ
ich mich in weiser Voraussicht lieber nicht ein... Aber nach
knapp zwanzig Minuten ging es schon weiter, dem nächsten
Ziel entgegen, einer Insektenpräparation.
Die lag kaum fünf Autominuten
entfernt. Allerdings darf man sich kein großes Gebäude
a la Deutschland oder sogar nur Royal Selangor vorstellen; vielmehr
war es eine Garagenfirma im besten und wörtlichsten Sinne.
Nach der Botschaft, man könne und werde hier lebende Skorpione
bewundern, zogen es die Amerikanerinnen vor, im Wagen zu verbleiben,
sodaß wir fünf verbliebenen tapfer dem Führer
nachtapsten.
Und in der Tat, direkt vor
der Garage, in welcher die Präparation untergebracht war,
befand sich ein Pool mit schwarzen und roten Skorpionen drin
Dont play with the scorpion stand warnend drüber
auf die Wand gemalt. Kühn griff der guide nach einer
Zange und mit derselben nach dem Stachel eines der im Pool sitzenden
Skorpione. Relativ erstarrt ließ der sich aus dem Pool fischen
und herumzeigen. Vermutlich war der Skorpion diese Art der Präsentation
schon gewohnt und sich bewußt, daß es am schnellsten
vorbeiginge, wenn er sich einfach ruhig verhält?! Jedenfalls
achtete der guide schon drauf, daß sein kleiner giftiger
Freund keinen der herumstehenden Touris auch nur mit der Schere
kniff. Nachdem er ihn vorsichtig wieder in seinem Becken abgesetzte
hatte, ging es weiter, tiefer in die geräumige Garage hinein.
Hier arbeiteten etwa ein Dutzend Frauen an der Präparation
verschiedenster Insekten, insbesondere an Schmetterlingen. Die
Tierchen wurden zunächst mit einer Flüssigkeit bestrichen,
welche offensichtlich der Desinfektion und Präservation diente,
danach wurden sie - die Flüssigkeit machte die Insekten in
gewisser Weise beweglich - passend hingebogen, und sodann aufgepinnt.
Schließlich bekam jedes so hergerichtete Tier ein ordentliches
Etikett, welches lateinischen sowie Trivialnamen aufwies. Rahmen
und Glasscheibe drüber, fertig. Natürlich wurden auch
Skorpione verarbeitet. Am Ende der Fertigung angelangt erwartete
uns dann eine Treppe, welche in die oberen Stockwerke dahin führte,
wofür ich vorher in weiser Voraussicht nichts verwetten wollte.
Der Treppenaufgang war an der rechterhand befindlichen Wand lustigerweise
mit einer Unzahl derjenigen Aufkleber "verziert", welche
man vorher in der Stofffabrik erhalten hatte. Ob der Stoffabrikant
und der Insektenpräparator mit dem Führer verwandt waren?
Oben im showroom waren sämtliche Wände mit Präparationen
aus eigener Fertigung gepflastert. Vor allem die großen,
blauschimmernden Schmetterlinge gefielen mir sehr gut; allerdings
waren diese auch deutlich teurer als der Rest der angebotenen
Ware. Stutzig machte mich's dann allerdings schon, als ich zwei
wirklich gleich aussehende Schmetterlinge mit unterschiedlichen
Aufklebern und Namen nebeneinander hängen sah. Was soll's,
erstens könnte ich die korrekte Bezeichnung sowieso in einem
Biologiebuch nachlesen, womöglich unterscheidet sie sich
eh von beiden hier angebotenen; weiterhin war ja die Schönheit
des Tieres viel entscheidender als sein Name; außerdem wollte
ich auch gar nichts kaufen, und schließlich war ich der
Meinung, daß die Tiere nur lebend und herumfliegend elegant
und anmutig waren. Hier in den Schaukästen war diese Anmut
komplett verschwunden, so sehr man sich sicherlich mit der Präparation
bemüht hatte.
Langsam wurde es auch schon
spät, und ich fragte mich, ob die für die batu caves
angedachte Zeit nicht zu kurz sein könnte. Immerhin ging
es bald weiter in Richtung auf die caves zu. Da es bereits
spätnachmittags war, bemerkte man den zunehmend aufkommenden
Berufsverkehr, und für die letzten zwei Kilometer benötigte
unser kleiner Toyota annähernd zwanzig Minuten. Zu guter
Letzt kamen wir dort an. Kaum steigt man aus dem Bus aus, findet
man sich in völlig veränderter Atmosphäre wieder:
Viele, viele Menschen - Gläubige -, große buddhistische
Tempel, Rauchschwaden von entzündeten Feuern, sowie die unglaublich
lange, steile den Berg hinaufführende Treppe. Wäre ich
nicht mit einer Gruppe hier gewesen, so wäre mir die Situation
alles andere als geheuer vorgekommen! Wer weiß, welche ursprünglichen
Rituale die Feuer symbolisierten? Ob das alles tiefgläubige
Menschen hier waren, oder ob die Touris doch in der Überzahl
sind? Letzteres bezweifelte ich ehrlich gesagt. Nun, die Amerikanerinnen
taten das wohl auch und zogen es lieber vor, im Bus zu warten.
War es ihnen nicht geheuer? Ebenso zog es auch die Malaiin vor,
im Wagen zu bleiben. Vielleicht aus religiösen Gründen?
So mußten wir also zu viert daran gehen, die Stufen zu erklimmen.
Anfänglich dachte ich noch daran, mit Stufenzählen das
Hinaufsteigen erträglicher zu machen, aber so recht wollte
das nicht gelingen. Nicht nur, das die Treppe heillos überfüllt
war von hinauf- und hinabsteigenden Menschen war, zudem gab es
noch eine Schar unglaublich frecher Affen, welche die Stufen unsicher
machten und sich anschickten (wie unverschämt!), den Menschen
Eßbares zu klauen. Interessanterweise hatten sich die Tiere
vor allem auf Kinder spezialisiert, welche womöglich die
einfacheren Opfer für sie waren. Je höher man hinaufkam,
desto wuseliger erschien die Ansammlung der Menschen unten am
Fuß der Treppe. Wie Ameisen... Dazu noch die Rauchschwaden,
die Feuer... nein, diese Szenen waren fast schon gespenstisch.
Ich war sehr gespannt, was mich oben in den Höhlen wohl erwarten
würde.
Nach zehn Minuten anstrengenden
Kletterns kam ich unbeschadet nach 272 Stufen oben an. Ein Portal
mit Statuen obenauf bildete den Eingang zu der heiligen Höhle.
In ihr war es noch feuchter als außerhalb, und bisweilen
tropfte es von der Decke herab. Auch drinnen waren einige heftig
rauchende Feuer entfacht, die die religiöse Atmosphäre
deutlich unterstrichen. Aus dieser primär durch die Feuer
erleuchteten Höhle, die wohl an der höchsten Stelle
20 Meter maß, führten weitere Treppen heraus, einem
Ausgang ins Freie nach oben entgegen. Nochmals circa fünfzig
Stufen weiter oben befand man sich dann beim Tempel in einem nach
oben offenen Schlot von etwa zwanzig bis dreißig Meter Durchmesser.
Auch hier wieder das gleiche Szenario: Gläubige, Feuer, freche
Affen. Dieser Tempel, auf dessen Dach viele herrliche Figuren
thronten, lohnte den Aufstieg allemal, von der ihn umgebenden
Atmosphäre ganz zu schweigen. Hierher finden übrigens
auch alljährlich so eine Art Wallfahrten statt. Was dann
um die batu caves herum und insbesondere hier oben los
sein mochte, wollte ich mir lieber gar nicht vorstellen. Absolut
schade war es nur, dass sich die herrschende Atmosphäre so
überhaupt nicht in Bilder fassen läßt. Aber das
ist wohl zumeist bei den eindrucksvollsten Anlässen so.
Nach gut einer halben Stunde
entschieden wir uns dafür, langsam den Weg hinab über
die Treppen einzuschlagen. Gut war es ja schon, daß der
tour guide es vorzog, unten zu warten: So war die Gelegenheit
da, sich ohne allzu großes Gehetze einen Eindruck zu verschaffen.
Und wir waren zu viert, was den Vorteil bot, daß man wohl
kaum ohne uns weiterfahren würde! Begleitet von einer kleinen
Schar Affen (und wir hatten überhaupt nichts dabei, was die
interessiert hätte! Ehrlich!) ging es zunächst wieder
hinunter in den großen feuererleuchteten Raum. Die Inderin
hatte eine unglaubliche Scheu vor den Affen: Sie wollte ihnen
keinesfalls näher als auch nur drei Meter kommen. Solche
Affen seien wohl das notwendige Übel bei hinduistischen und
buddhistischen Tempelanlagen; jedenfalls erfuhr ich, daß
die Tiere in Indien als heilig betrachtet und deshalb auf dem
Tempelgelände belassen werden. Die Touristen fütterten
sie ganz ordentlich, und das ist auch der Grund dafür, daß
sie so frech und unverschämt sind. Manche der Tiere bissen
sogar, bemerkte sie. Als sie schließlich wissen wollte,
woher ich käme (offensichtlich war mein Englisch zumindest
so fluent, daß man das nicht sofort heraushörte - Pluspunkt
für mich!), stellte sich heraus, daß sie und ihr Mann
zwar weder München noch Berlin kannten oder schon mal dort
waren, dafür war ihnen aber Böblingen durchaus geläufig.
Jetzt wissen wir also, was Deutschlands wahre Weltstadt ist!
Außerdem bemerkte sie,
dass die Begleiterin der Malaiin auch aus Deutschland sei: "She
told me she was from Bavaria" Nun, das hätte ich absolut
nicht vermutet, andererseits: Wie hätte ich auch sollen?
Schließlich bestand ja weder für sie noch für
mich die Notwendigkeit, deutsch zu sprechen. Und wenn man nicht
grade native speaker ist, fallen einem solche Dinge wie
ein deutscher Akzent im Englischen sicher nicht unbedingt sofort
auf. Interessant ist es freilich schon, dass man sich fast einen
halben Tag lang auf Englisch unterhält, um dann erklärt
zu bekommen, daß dies eigentlich nicht nötig gewesen
wäre - sehen wir einmal ab von der Höflichkeit gegenüber
denen, welche das Deutsch nicht verstanden hätten. Jedenfalls
wollte ich nun doch noch einmal wissen, wie gut mein Englisch
denn nun wirklich klingt, und so fragte ich sie (auf Englisch),
woher sie denn aus Deutschland komme. Aus Nürnberg. Als ich
ihr dann (ebenfalls auf Englisch) erklärte, dass ich auch
von dort käme, sah sie immer noch keine Veranlassung, es
einmal auf Deutsch zu versuchen. Schließlich fanden wir
aber dennoch heraus, dass dies eine Sprache ist, welche wir beide
durchaus beherrschen.
Bea war bei einer malaiischen
Familie zu Gast, was natürlich gegenüber meinem Hotelaufenthalt
den entscheidenden Vorteil hatte, dass sie so auch die Traditionen
und Sitten des Landes mitbekam. Davon, daß man hier mit
den Händen, genaugenommen nur mit der linken, ißt,
wußte ich beispielsweise noch überhaupt nichts. Kann
man sich vorstellen, Dinge wie Reis, Nudeln, oder sogar Suppeneinlage
nur mit Links zu essen? So erklärt sich auch, warum in Malaysia
Fleisch zumeist geschnetzelt gereicht wird... Jetzt komme ich
aber ab, also weiter im Text: Durch Besuche bei verschiedenen
Familienmitgliedern hatte sie sowohl das moderne Leben in KL,
als auch das traditionelle Leben auf dem Lande, beispielsweise
in den Cameron Resorts oder in Georgetown erlebt. Die Busfahrt
in die Stadt zog sich, und es sollte sich herausstellen, dass
der Stau auf die batu caves hin nur der Beginn des riesigen
traffic jams war, welcher sich allabendlich auf den Straßen
KLs einstellt. Wie würde es erst morgen aussehen, falls ich
selbst mit einem Wagen drin stehen sollte? Aber anders schien
es kein Hinkommen nach Fraser's Hill zu geben, und diese alte,
ehemals englische Ansiedlung mitten im Hochland wollte ich keinesfalls
verpassen... Und das Rechtsfahren erst recht nicht!