Malaysia/Hongkong

Der Reisebericht, Teil 2

4 The Day After

Was für eine Nacht...! Die feuchte, warme Luft, noch dazu abgestanden, macht relativ schnell klar, daß der Stromausfall und der Regen kein Traum waren. Zwar ist's draußen noch dämmrig, und die Uhr zeigt grade mal halb sieben, aber einschlafen kann ich nicht mehr. Wenigstens scheint es ein schöner Tag mit blauem, wolkenlosen Himmel zu werden. Das gestern noch untergehende Auto steht immer noch da, aber das Wasser ist weg. Schlammspuren deuten den Verlauf des Wasserstroms noch präzise an. Das erste, was man nach solch einem Abend und solch einer Nacht tun sollte, ist duschen. Aber schon, als ich beim Betreten des Bades feststellen muß, daß das Licht immer noch nicht wieder geht, ahne ich, daß das Abenteuer noch weitergehen wird. Nun, im dunkeln duschen möchte ich nicht, und ich freue mich, daß ich gestern abend noch vor dem Stromausfall Zeit dazu fand; so ist's noch einigermaßen erträglich und eine ordentliche Wäsche sollte in Anbetracht der Situation vielleicht reichen. Aber Du ahnst es sicher schon: Wasser floß auch keines mehr, nicht nur, daß der Strom weg war, wir lagen auf dem Trockenen. Schnell wurde mir klar, warum gestern nacht die Wasserflaschen verteilt worden waren. Also noch geschwind die Zähne geputzt und mit Cola aus der Minibar nachgespült, und dann ab nach unten und den Stand der Dinge feststellen! Immerhin war ich ganz froh, daß das Hotel noch stand und nicht abgebrannt war...

Wie hoch mußte wohl der finanzielle Schaden des Hotels sein? Vierzehn Stockwerke mal achtzig Zimmer multipliziert mit 150 Ringgit; dazu sollten wir das Essen von gestern abend addieren, die Getränke; der Computer der Telefonanlage hat ja sicherlich auch die Daten verloren; ich wollte lieber gar nicht weiter rechnen, da kommt bestimmt so einiges zusammen. Und die Wachsflecke, welche den Teppichboden auf der Etage und im gesamten Treppenhaus zierten, dürften die Summe noch um einiges erhöhen! Unten in der Hotelhalle angekommen, stellte sich im wesentlichen das gleiche Treiben dar wie am Vorabend. Nur bemerkte man beim Hotelpersonal deutliche Augenringe, und die netten Damen an der Rezeption hatten die adrette Hoteluniformen gegen T-Shirts ausgetauscht. Hier konnte man sich auch gleich über den aktuellen Stand der Dinge informieren: Der Strom, welcher eigentlich gegen drei Uhr morgens zurückerwartet worden war, würde noch auf unabsehbare Zeit nicht wieder zur Verfügung stehen. Ebenso wie das Wasser und die Klimaanlage. Kurzerhand bot man uns an, ein Zimmer in einem anderen Hotel der Stadt zu buchen. Kurz per Handy nachgefragt (die Hotelleitung konnte heilfroh sein, daß die meisten Angestellten privat solche Mobiltelefone besaßen, dachte ich bei mir), stellte sich heraus, daß im Hilton wohl noch Buchungen möglich wären - was für ein Zufall! Somit schienen wir doch noch dorthin zu kommen. Und vor allem zum Zimmerpreis des Concordes, welches das neue Zimmer ja vermitteln würde. Aber es kam noch dicker: Die Rechnung für die zwei Übernachtungen vor dem gestrigen Stromausfall belief sich ausschließlich auf die Zimmerpreise, da der Telefoncomputer ausgefallen war, ebenso wie alle Rechnungen aus Restaurant und Minibar ausschließlich im Computer vorhanden gewesen wären. So hatte auch der Hotelangestellte kein Problem beim Zusammenrechnen der Einzelposten, und das Bezahlen per Kreditkarte ging mit einem erstaunlicherweise noch vorhandenen Ritschratsch-Gerät zum Durchdrücken der Kartennummer recht reibunglos vonstatten. Nun gab es nur noch ein Problem: Die 30 Kilo Gepäck, welche sich noch im neunten Stock befanden. Immerhin ging ja kein einziger Aufzug mehr, und die sonst so hilfsbereiten porters weigerten sich strikt, auch nur eine Hand zu rühren. Was also tun? Die leichteren Gepäckstücke wie Rucksack, Computertasche, den Kleidersack herunter zu befördern, war, abgesehen vom Erklimmen des neunten Stockwerks, bewältigbar. Deshalb holte ich auch diese Fuhre lieber mal selbst herunter. Aber die schweren Koffer erschienen mir jetzt doch etwas zuviel verlangt. Schließlich fand sich doch endlich - nachdem ich eine Weile auf drei herumstehende und sich anläßlich des Chaoses redlich amüsierende Portiers eingeredet hatte, einer davon bereit, den Gang nach oben zu unternehmen. Nach einiger Zeit hatten wir schlußendlich alles Gepäck und uns selbst in der Lobby versammelt, und waren froh, ein Taxi Richtung Hilton nehmen zu können. Der Taxifahrer war recht schlau und hatte auch sofort mitbekommen, was im Concorde letzte Nacht los war. Auf heftige Klagen über das Concorde und weil er ja wußte, daß wir nun ins Hilton wollten, kam auch prompt: "Yes, all the people who want to go to Concorde I tell: Concorde no good hotel, better go to Hilton." Man muß ihm schon zugute halten, daß er sich sehr schnell auf sein Publikum einstellen konnte.

Nun war das Hilton ja wirklich nicht weit von unserem überfluteten Ex-Domizil entfernt, und so befanden wir uns kaum fünf Minuten später vor der wirklich imposanten Lobby des KL Hilton. Wenn ich das mal so sagen darf: Es war doch eine ganz andere Welt. Man wußte über unsere Ankunft bescheid, und wir konnten gleich auf dem Executive Floor im 21. Stock einchecken. Hier oben gab es zu meinem großen Erstaunen einen extra Frühstücks- und Aufenthaltsraum mit herrlicher Aussicht, der den Bewohnern der Räume des 21. bis 25. Stockwerks vorbehalten war. Obschon dies sicherlich eine Annehmlichkeit war, war es richtig schade, daß man so nicht in der großzügig gestalteten Lobby unten frühstücken konnte, sondern so abgeschirmt wie hier oben. Das muß man sich einmal vorstellen: Im Concorde gab es in der Lobby nicht mal eine Sitzecke, wo man einige ruhige Minuten lesen oder entspannen konnte. Hier hatte ich nun die Möglichkeit, diese ruhigen Augenblicke hier oben mit überragender Aussicht über die Stadt und die Twin Towers zu genießen, oder ich konnte mich entscheiden, in einer Sitzecke im 4th Floor mit Überblick über die Lobby ein wenig Zeit zu verbringen. Oder aber in der Empfangshalle unten mich hinzusetzen und den Geschäftsleuten bei meetings und Gesprächen zuzusehen. Kein Zweifel, es war ein großartiges Hotel, welches mir unglaublich gut gefiel. Im 21st kannten sie meinen Vater sogar noch - er war zum letzen mal glaube ich 1993 dort - und das Personal war äußerst freundlich, immerzu zu lockeren Sprüchen und guten Gesprächen aufgelegt. Ich war in einem Hotel gelandet, wo ich mich rundweg wohlfühlte.

Frisch geduscht kam es mir nach kurzer Zeit so vor, als wäre ich niemals im Concorde gewesen. Es war halb elf Uhr morgens, und ich hatte bereits soviel erlebt, daß es mich nicht gewundert hätte, wäre es schon ebenso spät abends gewesen. Aber der Tag lag noch vor mir. Natürlich mußte ich überlegen, was mit so einem halben Tag noch anzufangen wäre. Nach kurzem Nachdenken erschien es mir das beste, den Chinese Market im Herzen KLs einer genaueren Inspektion zu unterziehen, da hierfür ein halber Tag bestimmt nicht zu knapp bemessen sein durfte. Also ab in eines der Taxis, welche vor dem Hotel, freilich nicht in Sichtweite dessen, der die Lobby verläßt, warten. Zeigt man die Absicht, ein Taxi nehmen zu wollen, so winkt ein Page geschwind, und der Wagen huscht die palmengesäumte Auffahrt hinauf, der Page hält Dir die Tür auf, und Du steigst ein. (Jetzt sollte ich aber wieder aufhören mit der Hilton-Schwärmerei!)

Nach einer etwa viertelstündigen Fahrt durch die Stadt, bei der man immer tiefer in Gassen gesäumt mit alten, über und über mit chinesischen Schriftzeichen bedeckten, bunten Gebäuden eintaucht, war das Taxi schließlich inmitten von chinatown angelangt. Nach Zahlen des wirklich günstigen Fahrpreises von nicht mehr als 4 Ringgit hieß es, sich ins Getümmel von Geschäften, Märkten, Ständen und Menschen zu stürzen. Hier in Malaysia kann man die enorme Geschäftigkeit und Geschäftstüchtigkeit der Chinesen, wie auch überall sonst auf der Welt in den chinesischen Kommunen, ganz deutlich spüren. Den Chinesen verdankt Malaysia damit fast die Hälfte seines Territoriums. Wie das? Nun, zu Zeiten der Unabhängigkeitserklärung Malaysias stellte sich heraus, daß die Chinesen so stark an der Bevölkerung beteiligt waren, daß sie eine Mehrheit in der Volksvertretung beanspruchen konnten, was selbstverständlich den Malayen, welche sich grade ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten, nicht sonderlich gefiel. Gleichzeitig muß man allerdings sehen, wie die Arbeitseinstellungen von Malayen und Chinesen waren: Die Chinesen, die harte Arbeiter waren, und so Wohlstand und Reichtum mühsam erlangt hatten, verlangten ja zu Recht nach entsprechender Vertretung in den staatlichen Organen. Die Malayen hingegen, stolz ob ihres Landes, aber im Vergleich zu den Chinesen stinkfaul, wollten ihr Land selber regieren! Was sollte man also tun? Man fand eine für alle annehmbare Lösung: Neben den Gebieten entlang der Straße von Malacca auf der malayischen Halbinsel erhielt das neu zu gründende Land auch Territorien auf Borneo. Dadurch waren die Chinesen im Lande nicht mehr in der Mehrheit, konnten aber so trotzdem an der Regierung beteiligt werden, ohne daß zu befürchten gewesen wäre, daß Malaysia de facto chinesisch wird. Daß alles doch nicht so rosig war, würde bald die Sezession Singapurs zeigen.

Die Chinesische Kommune zeigt ihr ausgeprägtes Gesicht hier in chinatown. Neben einem langgestreckten Straßenmarkt, zwischen alten Gebäuden, Hochhäusern, McDonald's und einigen größeren Geschäften findet man hier auch eine große Halle, wohl am besten vorstellbar, wenn man sich eine Mischung zwischen Markthalle und Kaufhaus denkt. Praktisch heißt das, daß in ihr viele kleine Stände und Geschäfte untergebracht sind. Auf insgesamt drei Stockwerken werden hier mannigfaltigste Güter, wie Schuhe, Mode, CDs und Cassetten (keine Sorge, Raubkopien!), Fotoequipment, T-Shirts, aber auch traditionelle Waren und Lebensmittel angeboten. Eine wahrlich bunte Mischung. Man muß sich schon viel Zeit nehmen, will man einen Überblick erhalten und nichts auslassen. Vor den feilgebotenen Eßwaren hatte ich noch einen ordentlichen Respekt, aber den übrigen Ständen erlag meine Neugier restlos. Nach ausgiebigen Schlendern durch die Halle, welche den unaufwägbaren Vorteil einer Klimaanlage bot, wollte ich mich langsam auf den Weg machen, dem Straßenmarkt einen Besuch abzustatten. Auf dem Weg nach draußen kam mir ein Chinese oder Malaye - ich weiß es heute nicht mehr genau - im guten schwarzweißen Newcastle-Shirt entgegen. Bei mir dachte ich noch: 'Wenn es hier schon so viel gibt, womöglich auch Tim-und-Struppi-T-Shirts, warum dann nicht auch solche?' Aber T-Shirt-Stände hatte ich bisher noch keine erspäht, und so glaubte ich meine Chancen doch nur relativ gering einschätzen zu dürfen.

Kaum hatte ich die Halle verlassen, schlug mir unweigerlich die Hitze entgegen, an welche sich zu gewöhnen gar nicht zu leicht war. Allerdings lernt man mit der Zeit, sich so zu bewegen, daß man nicht schon nach zehn Minuten total verschwitzt ist. Klimatisch gesehen freute ich mich schon auf Hongkong, da ich hoffte, dort wäre es ein wenig erträglicher. Überhaupt schaute ich mir den jetzt vor mir liegenden Markt recht genau an, da es sicherlich interessant sein dürfte, diesen chinesischen Markt mit denen in Hongkong zu vergleichen. Ob es dort auch so geschäftig zugehen würde wie hier? Die ersten Stände, welche der Markthalle am nächsten lagen, boten hauptsächlich die in Asien wohlbekannten copywatches an: Rolex, Cartier, (mehr fällt mir nicht ein, aber alle gängingen Uhrenmarken könnten die Liste fortsetzen) findest Du hier "saubillig", wie die Verkäufer Dir zurufen, während sie mit dicken goldenen und silbernen Uhren wedeln. Einer der Chinesen erklärte mir sogar, seine Uhren seinen nicht "saubillig, because saubillig means they're crap. These watches are seeehr billig. Sehr sehr billig" und sein Vetter wohne auch in Deutschland und und und. Jedenfalls lassen die Verkäufer Dich nicht mehr so schnell gehen, wenn Du erst einmal ein Gespräch angefangen hast. Aber mir gefiel ehrlich gesagt keine der Uhren so richtig. Alle waren sie eher protzig und dick auftragend, und außerdem habe ich ja wahrlich genug davon. Aber ein Erlebnis sind die vielen copywatch-Händler allemal. Einer erklärte mir noch: "you know, it's illegal" Ganz schön ehrlich...

5 Qantas welcomes you aboard

23.4.97, Mittwoch morgen, acht Uhr nach ostaustralischer Zeit (AEST, "Australian East Standard Time"). Seit dreißig Minuten befindet sich die Boeing 747-438 der Qantas in der Luft.

Das heißt vor allen Dingen, dass bis zur Zwischenlandung in Singapur erst mal elf Stunden vergehen werden, bevor ich dann nochmals acht Stunden später australischen Boden betreten können werde. Immerhin - und darauf freue ich mich schon! - werde ich in Singapur ganz lässig sagen können: "Na, hier war ich aber schon mal! Sollte maximal vier Wochen her sein."

Momentan riecht es ganz angenehm nach Essen, und ich muß zugeben, Appetit habe ich schon ein bißchen. Allerdings ist es schon etwas seltsam, jetzt, es ist grade Mitternacht durch nach unserer Zeit, und wir befinden uns wohl grade über Nürnberg, ein Frühstück serviert zu bekommen. Vielleicht sollte ich die Flugzeit ausnutzen, um noch etwas an einer neuen Malaysia-Episode zu basteln. Schließlich möchte ich nicht, dass gerade Singapur und Hongkong unter den neuen, australischen Eindrücken untergehen - Vielleicht für Dich der interessanteste Teil dessen, was Dich per Mail aus München, oder vielleicht bald mal aus Sydney, erreicht? Wir werden sehen, wie weit ich komme.

Moment... es gibt Frühstück... später mehr!

So, kurz nach Budapest ist das Essen abgeräumt und ich habe wieder ein wenig Zeit zum Tippen. Sind ja auch nur noch zehn Stunden, bis ich wieder über vertrautem Territorium - Malaysia - sein werde.

Indem ich jetzt meine Konzentrationsfähigkeit wieder auf die harte Probe des Lärms der Triebwerke und der laut dröhnenden Klimaanlage stelle, kehren wir mal auf den chinese market in KL zurückkehren.

Schließlich kam ich über den Markt schlendernd auch an einen Stand, welcher einige verschiede Fussball-T-Shirts feilbot: Tottenham Hotspurs, Olympic Marsaille, Dortmund und KSC, alles war vorhanden. Sollte da nicht auch...? Ich begann, die angebotene Ware einer genaueren Inspektion zu unterziehen. Nach einigem Stöbern kam es endlich zutage: zuerst sah ich nur die black ale-Aufschrift, dann kam aber bald das ganze Newcastle-T-Shirt zum Vorschein, zwar in blau, von dem ich annahm, dass es ein älteres Design war, aber mir gefiel diese Farbe auch ganz gut. Eine schwarzweiße Ausführung, wie ich sie ja vorher am lebenden Objekt gesehen hatte, war nicht zu finden, und so dachte ich mir, der Spatz in der Hand ist ja bekanntlich besser als die Taube auf dem Dach: Also wollte ich flugs dran gehen, das Eigentum an dem guten Stück zu erwerben, was unweigerlich nur eines bedeuten konnte: jetzt hieß es handeln!

Zurück in der Gegenwart: Die Nacht im Flugzeug hätte ich einigermaßen passabel hinter mich gebracht. Mittlerweile ist's viertel nach zwei nach Singapore Zeit und wir befinden uns auch nicht mehr über Budapest, sondern haben Bombay sowie den indischen Subkontinet gerade hinter uns gelassen. Von Singapur trennen uns noch dreieinhalb Flugstunden.

Mir kommt's fast vor, als Würde ich einen Ball jetzt zum zweiten Mal werfen, nachdem er beim ersten Wurf nicht weit genug flog... Malaysia war wohl nicht weit genug? Bald werde ich entscheiden können, wo es mir besser gefällt... wie so oft läßt sich auch hier nur bemerken: wir werden sehen. Jedenfalls habe ich diesmal ein Stativ dabei, nachdem ich in Hongkong für ein paar gute Nachtaufnahmen ganz schon buckeln mußte.

Bevor ich jetzt wieder mal vom Essen unterbrochen werde, versuche ich, meine derzeitige morgendliche Frische in ein paar mehr kreative Zeilen umzusetzen.

Ein Meister des Handelns bin ich ja nicht unbedingt, na ja, was soll ich schon groß ausrichten gegen solche Füchse wie die Chinesen hier auf dem Markt? dachte ich. Aber die Philosophie des Handelns hat offensichtlich einen anderen Charakter, als ich mir das vorgestellt hatte: man betreibt das Feilschen um den final price hier nicht in feindlichem Ansinnen dem Verkäufer gegenüber, nein, es ist schlichtweg üblich und gehört zum Kaufen wie die Übergabe des Geldes oder der Ware. Somit machte es auch richtig Spaß, und nachdem die Verkäuferin und ich uns nach zähem Ringen um jeden Ringgit schließlich geeinigt hatten, hatten wir beide ein Lächeln auf den Lippen, wobei sie immerzu betonte, "you're a jerk, mister!" Ich war froh, weil ich mich nach meiner Einschätzung leidlich gut geschlagen hatte, sie womöglich, weil sie immer noch einen guten Schnitt machen würde. So waren wir beide zufrieden, und das war schließlich okay.

Während ich die weiteren Stände außerhalb der Halle abklapperte - etwa ein Drittel davon boten mehr oder weniger lauthals Copywatches an - erwarb ich, mein können im Handeln stetig ausbauend, noch zwei weitere T-Shirts. Mit soviel Übung sollte ich für Hongkong wahrlich gerüstet sein!

Vom chinese market war es nicht weit zur alten Moschee, welche hinter dem Regierungsgebäude am Zusammenfluß der beiden Flüsse liegt, welcher Kuala Lumpur seinen Namen verdankt - "Schlammige Flußmündung". Ich stellte mir beiläufig vor, bei uns in Deutschland hieße eine Stadt so. Der Weg verlief entlang des Flusses auf die Moschee zu. Den Eindruck der alten Moscheegebäude und der sie im Hintergrund umsäumenden Hochhäuser konnte für einen kurzen Moment eine Rohrleitung schlagen, die in circa drei Meter Höhe den Fluß überquerte, also auch über dem Niveau der Straße, auf der ich mich befand. Warum? Nun, an der Rohrleitung hatte sich verschiedenster Müll und Dreck verfangen, und erst bei diesem Anblick wurde mir klar, wie stark es gestern abend wirklich geregnet haben mußte! Erst jetzt bemerkte ich auch den Sand, der sich am Bordstein und an den Reifen der hier geparkten Autos angelagert hatte. Irgendwie hatte ich den Niederschlag der letzten Nacht trotz der Ereignisse ganz schone unterschätzt. Mit der Moschee hatte ich dann aber leider Pech. Nachdem dort gerade Gebete stattfanden, war der Zutritt für Besucher nicht gestattet. Man vertröstete mich auf das Ende der Gebete; letztlich mußte ich aber sowieso bald zurück ins Hilton, weil ich meinen Vater vor dem Geschäftsessen, welches er abends hatte, nochmals kurz sehen und ihm meine fleißig erhandelten Neuerwerbungen präsentieren wollte. So konnte ich gemächlich Richtung Taxistand laufen (die schauen ganz ähnlich wie bus stops aus), einer Taxe winken und den Fahrer bitten: "Take me to the Hilton, please!"

6 Yes, indeed: Singapore again! oder: Out Of KL

23.4.97, 18:10 local Singpore time. Dank einer freundlichen Qantas-Besatzung sitze ich jetzt nicht im Transitbereich des Changi-Airports, sondern erfreue mich für die kommenden zwei Stunden bis zum Weiterflug der Annehmlichkeiten der Qantas-Lounge. Hier läßt sich die Wartezeit ganz angenehm verbringen. Ich habe mir den Portfolio mitgenommen, auf dem ich grade diese Zeilen tippe, und dazu noch den HP48, weil da jetzt Tetris drauf läuft. Aber wenn ich so weiter schreibe, werde ich wohl kaum zum Spielen kommen...

So, jetzt habe ich mich erst einmal mit ein paar Sandwiches gestärkt. Es sollten Original-Sandwiches gewesen sein, da die Qantas ihre Lounge mit British Airways teilt. Singapur hat sich nicht verändert, zumindest von den Temperaturen her nicht: Draußen ist's zwar diesig und bedeckt, also nicht so schön wie vor vier Wochen, aber die Temperatur liegt trotzdem bei 32 Grad. Schade, dass ich jetzt hier in der Löwenstadt nicht auch über den Singapuraufenthalt berichten kann. Aber besser der Reihe nach vorgehen, und da wäre jetzt der Montag dran - die Country-Tour.

Falls zwischendurch mal was aktuelles anfällt, kann ich ja trotzdem darüber berichten! Es gibt halt sozusagen zwei Handlungsstränge momentan. Da fällt mir beispielsweise mein Cockpitaufenthalt vorhin ein. Ich fragte, ob ich mal kurz hinaufschauen könnte, und aus dem kurzen Blick wurde eine interessante halbe Stunde, in der mir die Instrumente erklärt wurden, und ich eine herrliche Aussicht über Thailand, Phuket, Langkawi und das nördliche Malaysia hatte. Und den Abschluß dieses Besuches bildete das Drehendürfen an einem Knopf dort im Cockpit und die Einladung hier in die Lounch.

Auf dem Weg von der Lounge zum Weiterflug hab' ich dann aber doch noch ganz schön schwitzen müssen - nein, nicht vom Gepäckschleppen! In der Lounge hatte ich mir beim rausgehen noch zwei von den kleinen roten Käsen ("babybel") mitgenommen, weil mir die grade so gut schmeckten und ich sehr verwundert war, diese hier so weit weg von Europa vorzufinden (apropos was es nicht alles gibt: In KL gab's Orangina. Aber das nur so nebenbei). Jedenfalls bekam ich dann aber schon auf dem Weg zum Gate einen solchen Appetit, daß ich kurzerhand einen der Käse aus der Brusttasche fischte und zu futtern begann. Während des letzten Bissens allerdings fiel es mir dann siedend heiß ein: War da nicht in Singapur essen, trinken und so weiter in der Öffentlichkeit verboten!? Schweißausbruch, beim runterschlucken fast verschluckt und ganz schnell so getan, als wäre nichts gewesen...

Wie schnell einen Unachtsamkeit hier in Teufels Küche bringen könnte - Dabei hatte ich beim Aussteigen einen nach Singapur Reisenden sogar noch darauf hingewiesen, daß es nicht nur strafbar sei, Kaugummi auszuspucken, wie er meine, vielmehr ist sogar der Import illegal - und das ist kein Scherz, sondern einfach die Wahrheit.

24.4.97, 00:18 AEST. So weit weg bin ich ja nun noch nicht von KL, und also sollte es nunmehr auch nicht allzu schwer fallen, ein wenig vom Montag zu berichten.

Montags mußte mein Vater wieder mal so früh weg, dass sich mir die Frage ob es vorzuziehen wäre, mit meinem Vater zu frühstücken oder lieber auszuschlafen, gar nicht stellte, da ich "erst" um neun aufwachte - gesegnete Semesterferien. Was konnte man heute unternehmen? Am Samstag hatte ich in einem Prospekt des Tourunternehmens mit dem vielversprechenden Namen "ecstacy tours" eine Halbtagestour um KL herum entdeckt, auf deren Programm auch der Besuch der batu caves, stand, buddhistischer Gebetshöhlen, die über mehr als 270 Stufen erreichbar sind. Hier war also Kondition gefragt! Nun, die batu caves wollte ich auf keinen Fall versäumen, und so entschloß ich mich, nachmittags einmal diese Tour zu testen. Zuvor aber verbrachte ich den Vormittag damit, mich in aller Ruhe den Geschäften im BB Plaza, insbesondere aber nochmals den beiden Buchhandlungen dort (ja, ich bin Bücherfan, zugegeben!), zu widmen. Nach zwei Stunden Schmökerns war ich auch unter anderem stolzer Besitzer einiger guter und sehr günstiger Mathebücher: Die Autoren eines der Bücher sind Dozenten an der University of Singapore!

Im Hotel gab's dann wieder das übliche Prozedere, also das Warten darauf, vom tour guide abgeholt zu werden. Lustigerweise kannte ich ihn schon: Ihn hatte ich samstags in Malacca mit einer Gruppe Touris am Unabhängigkeitsplatz gesehen. Wie auch das andere Tourunternehmen versammelte ecstacy tours alle an diesem Nachmittag Teilnehmenden erst mal zentral, allerdings nicht in dem mir bereits bekannten handicraft centre, sondern in einer Art tourist information. Sonderbare Sache: In meinen Zubringerbus stieg bei irgendeinem Hotel ein dem Dialekt nach offenkundig Deutscher mit malaiischer Begleitung – weiblich – ein. Das war mir alles andere als angenehm, ich wollte nur hoffen, dass die beiden eine andere Tour nehmen würden. Als Deutscher wollte ich mich ihm auch nicht unbedingt zu erkennen geben. Aber da mein 'th' und wohl auch mein Englisch etwas besser war als seins, und auch seine Aufmerksamkeit ganz woandes ruhte als auf mir (nämlich auf seiner Begleitung!), schienen meine Befürchtungen nicht so akut zu sein. Schließlich sollte sich herausstellen, dass die beiden auf eine andere Tour gingen. Aber komisch war es allemal, da der Typ der Malaiin unverhohlen von Frau und Kind zuhause erzählte...

Nach den üblichen zwanzig Minuten Aufenthalt im tourist centre wurde man also auf die Busse verteilt. Zu meiner allergrößten Überraschung sollte ich in einem kleinen Toyota Platz nehmen, in welchem sich auch erst drei Amerikanerinnen befanden - 'Mutter mit zwei verwöhnten Töchtern', war mein erster Eindruck. Schließlich kam noch ein indisches Ehepaar, und zu allerletzt eine Malaiin mit eine weiteren Frau hinzu. Damit war der Bus - Fahrer und guide kamen noch dazu - abfahrbereit. Na, daß wir nicht allzu viele waren, und der Bus Klimaanlage hatte, das ließ sich ja ganz gut an.

24.4.97, 03:46 AEST.

Zunächst ging es an der Villa eines der reichsten Malaiien sowie an mehreren Botschaften vorbei aus der Stadt hinaus. Stolz präsentierte uns der guide im Vorbeifahren das Gebäude des neuen Fernsehsenders, welcher der erste private Satellitenkanal werden sollte. So privat und unabhängig er allerdings auch sein mochte, genauso zensiert, wie die anderen Medien im Lande wird er dennoch werden. Allerdings findet eher eine Art Selbstzensur statt, da sich die führenden Zeitungen und auch die staatlichen Sender als Moralinstanz und Wertevermittler verstanden sehen wollen. Freilich darf man gespannt sein, welche Rolle dieser neue Sender, wenn er Herbst auf Sendung gehen wird, spielen wird. Zuviel sollte man sich allerdings nicht versprechen: Aufgrund eben der herrschenden Selbstzensur beschränkt sich beispielsweise das Unterhaltungsangebot die bisher vorhandenen Fernsehkanäle auf Hollywoodklassiker und unverfängliche Soap operas ebenfalls aus amerikanischer Produktion.

Vorbei an den neu entstehenden Studios ging es in dichten Urwald, bestehend aus Gummibäumen. Freilich durfte man keine Angst davor haben, von Moskitos gestochen zu werden, wenn man ein wenig in den Wald hinein wollte. Dort, an einem den Touristen vorbehaltenen Baum wurde dann das 'rubber tapping' demonstriert. Wenn man die Rinde des Gummibaumes anritzt, fließt tatsächlich die bekannte weiße Flüssigkeit heraus. Damit die Bäume allerdings nicht auf Dauer verletzt werden, und so vielleicht nur einmal gemolken werden können, hat man die Technik des tappings erdacht. Das kann man ganz wörtlich nehmen: Man bohrt ein Loch in die Rinde, und befestigt da hinein ein Art Wasserhahn. Alle Jahre dreht man dran und kann so den Gummibaum melken... Erwähnt sei vielleicht noch, dass man für unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände aus Gummi im allgemeinen eine sehr große Menge an Rohstoff benötigt. Wenn ich mich recht erinnere, wird für einen Autoreifen nicht weniger als eine Tonne Kautschuk gebraucht. Jetzt aber fix wieder in den Bus, denn eine der Amerkanerinnen beginnt sich schon heftig am Knie zu kratzen. Mich juckt's allerdings auch auf der rechten Hand; aber wenigstens blieb's bei nur ein Stich, unter dem ich "litt".

7 The Batu Cave Experience

Nachdem ich den Flug von Sydney nach Melbourne wirklich noch bekommen habe, ist auch wieder etwas Zeit, um den Malaysia-Montag fertigzustellen. Sogar etwas mehr als geplant, da der Flieger echte Anlaufschwierigkeiten hat: Während die 767 der Ansett Australia langsam hinausrollt auf die Runway des Sydney Airports, kommt die übliche Ansage des Captains mit "sit back and enjoy your flight", den Temperaturen am Zielort und so weiter (Die Qantas und auch Ansett haben übrigens die nette Angewohnheit, die Ansagen mit "Ladies and Gentleman, Boys and Girls" zu beginnen. Hört sich doch gut an, oder? Dafür gibt's Orangensaft in ganz unpraktischen Plastikbecherchen eingeschweißt, was die positive Ansage wieder wettmacht und auf den Hosen und Röcken ungeübter Europäer häßliche Flecken produziert). Die Stimme des Piloten kommt mir richtig wie cooler Aussie vor, naja, so eine typisch rauchige Flugkapitänsstimme halt. Ganz am Ende des Taxiways angelangt, dreht er die Maschine, und der Start kann beginnen. Nach völligem Stop gibt der Pilot vollen Schub, und die Triebwerke heulen auf. Das hält ganze fünf bis zehn Sekunden an, dann gehen die Triebwerke runter und die Maschine rollt auf den Flughafen zu. War wohl nix, und ich frage mich schon, ob man sich vielleicht überlegt hatte, die achthundert Kilometer nach Melbourne doch zu fahren statt zu fliegen. Abermals kommt eine Durchsage des schon nicht mehr ganz so cool klingenden Captains, daß man "technical problems" gehabt habe, welche aber nun gelöst seien. Der zweite Startversuch klappt dann auch, allerdings ist einem nicht so ganz gut, wenn man weiß, daß irgendwelche Problemchen den Start verhindert hatten, und dann so mir nichts dir nichts wieder verschwunden waren. Wie auch immer, ich bin ja wieder heil heruntergekommen, womöglich sogar auf dem normalen Wege ("Runter kommen sie alle"!?). Jetzt aber mal fix weiter: "Out Of KL" sind wir ja schon, also los geht's mit Teil zwei:

Weiter führte die tour zu Royal Selangor, der größten in Malaysia ansässigen Zinnverarbeitung. Hier werden aus dem in Malaysia am häufigsten vorkommenden Rohstoff vom Teller über Schachspiel bis hin zum Designerfüller alle erdenklichen Dinge aus Zinn hergestellt (Man erwägt übrigens, diesen Füller für genau 888 Ringgit anzubieten, da die 8 eine chinesische Glückszahl ist (was glaubst Du, für wieviel vor circa einem Jahr in Hongkong die Autonummer 8888 versteigert worden ist!). Die Führung durch die Fabrikanlagen und die Herstellung ist wirklich sehr aufschlußreich. Besonders die noch sehr weitverbreitete Handarbeit, vor allem die vielen Feinmechaniker, hätte ich hier nicht erwartet. "Made in Malaysia" setzt man ja in Deutschland zumeist mit Massenproduktion und Ramschware gleich, Royal Selangor allerdings hatte hier eines meiner Vorurteile aufgehoben. Nach der Fabrikation ging es dann weiter in einen sogenannten showroom, wo man die hergestellten Produkte betrachten und natürlich auch kaufen konnte. Dieser showroom hier bei Royal Selangor bot drei attraktive Vorteile: Erstens, es gab kostenlos kühle Limonenlimonade (natürlich gereicht in Zinnbechern), zweitens hatte er eine Klimaanlage, und drittens waren die angebotenen Dinge wirklich sehr schön anzusehen. Nach zwanzig Minuten hatten wir acht Touris (das Wort paßt ja sogar im doppelten Sinne!) uns komplett am Ausgang versammelt, und nachdem man somit deutlich die Abfahrbereitschaft signalisiert hatte, ging es auch bald weiter zum nächsten Stop, einem alten traditionellen malaiischen Haus. Zu bemerken ist vielleicht, daß ich die tour keinesfalls mit den bei uns üblichen Kaffeefahrten vergleichen will, bei denen das Verhältnis Präsentation und Tour schon noch ganz anders ausgelegt ist!

Hatten wir das mit dem Schuhe ausziehen schon einmal? Ja klar, in Malacca. Also jedenfalls galt es auch hier, die Schuhe draußen zu lassen. Das malaiische Haus zeichnete auf den ersten Blick aus, dass es auf Stelzen stand. Der Grund für diese Maßnahme war mir nicht ganz klar, wir waren ja doch einige Kilometer weg. Allerdings störte mich im Moment der Besichtigung diese Unklarheit nicht, und zudem hätte ja eine Überschwemmung, wie ich sie erlebt hatte, solcherlei Maßnahmen zehn- bis zwanzigmal gerechtfertigt. Das Haus erwies sich als ungleich geräumiger, als zunächst erwartet, da es sich nach hinten zog und in einige Zimmer aufgeteilt war. Aber es mußte natürlich auch groß sein, da in solch einem Haus eben auch eine Großfamilie lebt, sprich circa zwei Dutzend Menschen. Etwa ebenso viele besichtigten gerade das Museumshaus, weshalb man sich einen guten Eindruck davon machen konnte, wieviel hier normalerweise los ist. Um das Holzhaus herumlaufende Hühner und Gänse sowie ein Hofhund machten dessen Eindruck noch authentischer; lediglich das Ausziehen der Schuhe erinnerte unweigerlich daran, dass man sich in einem Museum befand.

Am nächsten Stop der Tour waren solche Ehrfurchtsbekundungen eher fehl am Platze: Es handelte sich nämlich um eine Textilfabrikation, wo einem zunächst verschiedene Techniken der Seidenmalerei demonstriert wurden. Der Aufkleber, welcher einem bei Betreten der Fabrikation aufgepappt wurde, schien auf eine lang dauernde Führung hinzudeuten, doch leider ging es nach zehn Minuten Fabrik direkt weiter in - richtig geraden! - einen showroom. Die weiblichen Mitglieder der Tour waren in der Tat von der Fülle der angebotenen Textilien begeistert; ich und der Inder diskutierten noch ein wenig über verschiedene Fertigungsmethoden; bald jedoch kamen wir darin überein, dass solche Showroom-Besuche zum notwendigen Übel der Touren im asiatischen Raum gehörten. Auf die Wette, ob dies der letzte Showroom für heute wäre oder nicht, ließ ich mich in weiser Voraussicht lieber nicht ein... Aber nach knapp zwanzig Minuten ging es schon weiter, dem nächsten Ziel entgegen, einer Insektenpräparation.

Die lag kaum fünf Autominuten entfernt. Allerdings darf man sich kein großes Gebäude a la Deutschland oder sogar nur Royal Selangor vorstellen; vielmehr war es eine Garagenfirma im besten und wörtlichsten Sinne. Nach der Botschaft, man könne und werde hier lebende Skorpione bewundern, zogen es die Amerikanerinnen vor, im Wagen zu verbleiben, sodaß wir fünf verbliebenen tapfer dem Führer nachtapsten.

Und in der Tat, direkt vor der Garage, in welcher die Präparation untergebracht war, befand sich ein Pool mit schwarzen und roten Skorpionen drin – „Don’t play with the scorpion“ stand warnend drüber auf die Wand gemalt. Kühn griff der guide nach einer Zange und mit derselben nach dem Stachel eines der im Pool sitzenden Skorpione. Relativ erstarrt ließ der sich aus dem Pool fischen und herumzeigen. Vermutlich war der Skorpion diese Art der Präsentation schon gewohnt und sich bewußt, daß es am schnellsten vorbeiginge, wenn er sich einfach ruhig verhält?! Jedenfalls achtete der guide schon drauf, daß sein kleiner giftiger Freund keinen der herumstehenden Touris auch nur mit der Schere kniff. Nachdem er ihn vorsichtig wieder in seinem Becken abgesetzte hatte, ging es weiter, tiefer in die geräumige Garage hinein. Hier arbeiteten etwa ein Dutzend Frauen an der Präparation verschiedenster Insekten, insbesondere an Schmetterlingen. Die Tierchen wurden zunächst mit einer Flüssigkeit bestrichen, welche offensichtlich der Desinfektion und Präservation diente, danach wurden sie - die Flüssigkeit machte die Insekten in gewisser Weise beweglich - passend hingebogen, und sodann aufgepinnt. Schließlich bekam jedes so hergerichtete Tier ein ordentliches Etikett, welches lateinischen sowie Trivialnamen aufwies. Rahmen und Glasscheibe drüber, fertig. Natürlich wurden auch Skorpione verarbeitet. Am Ende der Fertigung angelangt erwartete uns dann eine Treppe, welche in die oberen Stockwerke dahin führte, wofür ich vorher in weiser Voraussicht nichts verwetten wollte. Der Treppenaufgang war an der rechterhand befindlichen Wand lustigerweise mit einer Unzahl derjenigen Aufkleber "verziert", welche man vorher in der Stofffabrik erhalten hatte. Ob der Stoffabrikant und der Insektenpräparator mit dem Führer verwandt waren? Oben im showroom waren sämtliche Wände mit Präparationen aus eigener Fertigung gepflastert. Vor allem die großen, blauschimmernden Schmetterlinge gefielen mir sehr gut; allerdings waren diese auch deutlich teurer als der Rest der angebotenen Ware. Stutzig machte mich's dann allerdings schon, als ich zwei wirklich gleich aussehende Schmetterlinge mit unterschiedlichen Aufklebern und Namen nebeneinander hängen sah. Was soll's, erstens könnte ich die korrekte Bezeichnung sowieso in einem Biologiebuch nachlesen, womöglich unterscheidet sie sich eh von beiden hier angebotenen; weiterhin war ja die Schönheit des Tieres viel entscheidender als sein Name; außerdem wollte ich auch gar nichts kaufen, und schließlich war ich der Meinung, daß die Tiere nur lebend und herumfliegend elegant und anmutig waren. Hier in den Schaukästen war diese Anmut komplett verschwunden, so sehr man sich sicherlich mit der Präparation bemüht hatte.

Langsam wurde es auch schon spät, und ich fragte mich, ob die für die batu caves angedachte Zeit nicht zu kurz sein könnte. Immerhin ging es bald weiter in Richtung auf die caves zu. Da es bereits spätnachmittags war, bemerkte man den zunehmend aufkommenden Berufsverkehr, und für die letzten zwei Kilometer benötigte unser kleiner Toyota annähernd zwanzig Minuten. Zu guter Letzt kamen wir dort an. Kaum steigt man aus dem Bus aus, findet man sich in völlig veränderter Atmosphäre wieder: Viele, viele Menschen - Gläubige -, große buddhistische Tempel, Rauchschwaden von entzündeten Feuern, sowie die unglaublich lange, steile den Berg hinaufführende Treppe. Wäre ich nicht mit einer Gruppe hier gewesen, so wäre mir die Situation alles andere als geheuer vorgekommen! Wer weiß, welche ursprünglichen Rituale die Feuer symbolisierten? Ob das alles tiefgläubige Menschen hier waren, oder ob die Touris doch in der Überzahl sind? Letzteres bezweifelte ich ehrlich gesagt. Nun, die Amerikanerinnen taten das wohl auch und zogen es lieber vor, im Bus zu warten. War es ihnen nicht geheuer? Ebenso zog es auch die Malaiin vor, im Wagen zu bleiben. Vielleicht aus religiösen Gründen? So mußten wir also zu viert daran gehen, die Stufen zu erklimmen. Anfänglich dachte ich noch daran, mit Stufenzählen das Hinaufsteigen erträglicher zu machen, aber so recht wollte das nicht gelingen. Nicht nur, das die Treppe heillos überfüllt war von hinauf- und hinabsteigenden Menschen war, zudem gab es noch eine Schar unglaublich frecher Affen, welche die Stufen unsicher machten und sich anschickten (wie unverschämt!), den Menschen Eßbares zu klauen. Interessanterweise hatten sich die Tiere vor allem auf Kinder spezialisiert, welche womöglich die einfacheren Opfer für sie waren. Je höher man hinaufkam, desto wuseliger erschien die Ansammlung der Menschen unten am Fuß der Treppe. Wie Ameisen... Dazu noch die Rauchschwaden, die Feuer... nein, diese Szenen waren fast schon gespenstisch. Ich war sehr gespannt, was mich oben in den Höhlen wohl erwarten würde.

Nach zehn Minuten anstrengenden Kletterns kam ich unbeschadet nach 272 Stufen oben an. Ein Portal mit Statuen obenauf bildete den Eingang zu der heiligen Höhle. In ihr war es noch feuchter als außerhalb, und bisweilen tropfte es von der Decke herab. Auch drinnen waren einige heftig rauchende Feuer entfacht, die die religiöse Atmosphäre deutlich unterstrichen. Aus dieser primär durch die Feuer erleuchteten Höhle, die wohl an der höchsten Stelle 20 Meter maß, führten weitere Treppen heraus, einem Ausgang ins Freie nach oben entgegen. Nochmals circa fünfzig Stufen weiter oben befand man sich dann beim Tempel in einem nach oben offenen Schlot von etwa zwanzig bis dreißig Meter Durchmesser. Auch hier wieder das gleiche Szenario: Gläubige, Feuer, freche Affen. Dieser Tempel, auf dessen Dach viele herrliche Figuren thronten, lohnte den Aufstieg allemal, von der ihn umgebenden Atmosphäre ganz zu schweigen. Hierher finden übrigens auch alljährlich so eine Art Wallfahrten statt. Was dann um die batu caves herum und insbesondere hier oben los sein mochte, wollte ich mir lieber gar nicht vorstellen. Absolut schade war es nur, dass sich die herrschende Atmosphäre so überhaupt nicht in Bilder fassen läßt. Aber das ist wohl zumeist bei den eindrucksvollsten Anlässen so.

Nach gut einer halben Stunde entschieden wir uns dafür, langsam den Weg hinab über die Treppen einzuschlagen. Gut war es ja schon, daß der tour guide es vorzog, unten zu warten: So war die Gelegenheit da, sich ohne allzu großes Gehetze einen Eindruck zu verschaffen. Und wir waren zu viert, was den Vorteil bot, daß man wohl kaum ohne uns weiterfahren würde! Begleitet von einer kleinen Schar Affen (und wir hatten überhaupt nichts dabei, was die interessiert hätte! Ehrlich!) ging es zunächst wieder hinunter in den großen feuererleuchteten Raum. Die Inderin hatte eine unglaubliche Scheu vor den Affen: Sie wollte ihnen keinesfalls näher als auch nur drei Meter kommen. Solche Affen seien wohl das notwendige Übel bei hinduistischen und buddhistischen Tempelanlagen; jedenfalls erfuhr ich, daß die Tiere in Indien als heilig betrachtet und deshalb auf dem Tempelgelände belassen werden. Die Touristen fütterten sie ganz ordentlich, und das ist auch der Grund dafür, daß sie so frech und unverschämt sind. Manche der Tiere bissen sogar, bemerkte sie. Als sie schließlich wissen wollte, woher ich käme (offensichtlich war mein Englisch zumindest so fluent, daß man das nicht sofort heraushörte - Pluspunkt für mich!), stellte sich heraus, daß sie und ihr Mann zwar weder München noch Berlin kannten oder schon mal dort waren, dafür war ihnen aber Böblingen durchaus geläufig. Jetzt wissen wir also, was Deutschlands wahre Weltstadt ist!

Außerdem bemerkte sie, dass die Begleiterin der Malaiin auch aus Deutschland sei: "She told me she was from Bavaria" Nun, das hätte ich absolut nicht vermutet, andererseits: Wie hätte ich auch sollen? Schließlich bestand ja weder für sie noch für mich die Notwendigkeit, deutsch zu sprechen. Und wenn man nicht grade native speaker ist, fallen einem solche Dinge wie ein deutscher Akzent im Englischen sicher nicht unbedingt sofort auf. Interessant ist es freilich schon, dass man sich fast einen halben Tag lang auf Englisch unterhält, um dann erklärt zu bekommen, daß dies eigentlich nicht nötig gewesen wäre - sehen wir einmal ab von der Höflichkeit gegenüber denen, welche das Deutsch nicht verstanden hätten. Jedenfalls wollte ich nun doch noch einmal wissen, wie gut mein Englisch denn nun wirklich klingt, und so fragte ich sie (auf Englisch), woher sie denn aus Deutschland komme. Aus Nürnberg. Als ich ihr dann (ebenfalls auf Englisch) erklärte, dass ich auch von dort käme, sah sie immer noch keine Veranlassung, es einmal auf Deutsch zu versuchen. Schließlich fanden wir aber dennoch heraus, dass dies eine Sprache ist, welche wir beide durchaus beherrschen.

Bea war bei einer malaiischen Familie zu Gast, was natürlich gegenüber meinem Hotelaufenthalt den entscheidenden Vorteil hatte, dass sie so auch die Traditionen und Sitten des Landes mitbekam. Davon, daß man hier mit den Händen, genaugenommen nur mit der linken, ißt, wußte ich beispielsweise noch überhaupt nichts. Kann man sich vorstellen, Dinge wie Reis, Nudeln, oder sogar Suppeneinlage nur mit Links zu essen? So erklärt sich auch, warum in Malaysia Fleisch zumeist geschnetzelt gereicht wird... Jetzt komme ich aber ab, also weiter im Text: Durch Besuche bei verschiedenen Familienmitgliedern hatte sie sowohl das moderne Leben in KL, als auch das traditionelle Leben auf dem Lande, beispielsweise in den Cameron Resorts oder in Georgetown erlebt. Die Busfahrt in die Stadt zog sich, und es sollte sich herausstellen, dass der Stau auf die batu caves hin nur der Beginn des riesigen traffic jams war, welcher sich allabendlich auf den Straßen KLs einstellt. Wie würde es erst morgen aussehen, falls ich selbst mit einem Wagen drin stehen sollte? Aber anders schien es kein Hinkommen nach Fraser's Hill zu geben, und diese alte, ehemals englische Ansiedlung mitten im Hochland wollte ich keinesfalls verpassen... Und das Rechtsfahren erst recht nicht!


Hier geht's weiter zum dritten Teil

Robert Wagner, 20. August 1997
Zur Homepage